Schöne neue digitale Welt

troll

Well-Known Member
Brauchen wir sie wirklich?
Ist sie gerecht?
Machen wir uns zu sehr abhängig?

Wenn ich ein Buch haben möchte such ich normaler Weise im Internet, was meine Anforderungen erfüllt, such mir bei Amazon die ISBN-Nummern raus und watschel damit zum kleinen Buchladen(3 Mitarbeiter) im Dorf.
Eben auch wieder und mich haben mal wieder Zweifel an dem gepackt, was wir so veranstalten.
Ich gehe gern in den kleinen Laden, die Leute dort kennen sich sehr gut aus, es ist nicht selten, dass wir uns ne halbe Stunde unterhalten, sie wissen, dass ich die ISBN-Nummer auf nem Zettel mithabe und so haben wir dann auch Zeit für das Gespräch.
Die Besitzerin sprach mich auf Warenwirtschaftssysteme und Archivierungssysteme an, sie weiss ja, was ich arbeite. Es war wohl vor ein paar Tagen jemand von ner grossen SW-Schmiede da und hat ihnen die Vorzüge gepredigt. Sie wollte nun meine Meinung darüber hören.
Meine Gegenfrage war, ob das denn gebraucht wird, ob sie den Überblick verlieren und wie denn insgeamt die Lage ist.

Bisher haben sie nie so etwas gebraucht. Sie wissem bei jedem einzelnen Buch, wo es steht, wo es zu finden ist usw. Es kann mal sein, dass sie etwas suchen müssen, oder mal kurz den Kollegen fragen, aber das ist eher selten. Die Wirtschaftslage ist durch das Internet natürlich angespannter als vor zehn Jahren, aber sie können leben, es ist kein wirkliches Problem in Sicht.
Nu, ihnen wurde gepredigt, welche Vorteile eine digitale Organisation bringt, wie niedrig Fehlerquoten sind, fliessende Bestandsaufnahmen, Warnungen, wenn Topseller ausgehen usw. Sprich Einsparungen, Umsatzsteigerungen sind für so einen Laden kaum realisierbar.

Sprich Entlassungen, höherer Verdienst für die Besitzerin.
Nachteil - der Computer übernimmt das Wissen. Der hohe Kenntnisstand der Mitarbeiter würde schrumpfen. Es ist weniger Zeit, um sich wirklich mit den Büchern auseinander zu setzen. Organisatorisch und Inhaltlich.

Ist es nicht absolut Klasse, was wir ITler da so hinlegen? Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer krasser, wir als Spezialisten sind gehaltlich eher im Mittelfeld angesiedelt und sind mehr oder weniger gezwungen weiterzumachen. Wir übergeben soziale Kontakte, Wissen und Können dem Computer und trainieren ihn es besser zu machen, als wir es könnten.

Ich hab mal angefangen zu prüfen, wie es um meine Kompetenzleistungen bestellt ist, wie sie durch den Rechner beeinflusst werden. Nicht sicher bin ich mir, in wie weit die Ergebnisse von meinem Alter abhängen(Mitte 40), weil dort auch ein starker Leistungsknick normal ist.

Dennoch, ich hatte mal ein fast fotografisches Gedächtnis.
Ich brauchte nie ein Notizbuch für Telefonnummern o. Ä., inzwischen weiss ich nicht mal die Handynummer meiner Lebensgefährtin auswendig - sie liegt auf einer Schnellwahltaste. Strassenkarten hab ich mir daheim angeschaut, oder mal kurz am Strassenrand gehalten, es hat immer gereicht mein Ziel recht sicher zu finden, inzwischen hab ich ein GPS mit Routenplaner.

Mein Hobby ist Fotografieren, die Digitalkameras ermöglichen mir da ne steile Lernkurve mit irrem Tempo. Wenn ich ein Bild im Kopf habe, dass mir wichtig ist - dann nehme ich meine Analogausrüstung und mache die Aufnahme in aller Ruhe, weil die Digitaltechnik da nicht dran kommt.

Ich hab leider den Eindruck, als würden wir uns immer mehr Lebensqualität entziehen und können nicht damit aufhören. Der Nutzen hält sich längst in Grenzen, die Arbeitslosenzahlen kann man kaum einen Nutzen nennen. Wir schaffen einen Nutzen für Wenige bei gleichzeitigen Verlusten für Viele.

Klar, es ist Winterende, da wird man depri - ich habe aber immer öfter das Gefühl, dass wir es total falsch machen.
Der Grund für Automatisierung etc war Wohlstand. Wohlstand bezieht sich auf die Masse und nicht auf Einzelne. Wir haben irgendwas vollkommen verkehrt gemacht.
 
Was den Nachteil bezüglich der Arbeitsplätze betrifft kann ich dir nur zustimmen. Ich sehe hier viele Parallelen zur industriellen Revolution.

Das mit dem abhängig machen ist so eine Sache. Ich meine, man ist immer abhängig. Es geht auch nicht ohne elektrischen Strom. Man ist von der Gesellschaft abhängig, auch wenn man ganz am Rande steht. Man ist vom Supermarkt abhängig und von so vielen anderen Dingen. Klar verlernt man dadurch vieles. Das Gehirn optimiert sich einfach auf andere Dinge, was eigentlich ganz normal ist. Klar wird man dadurch davon abhängig, dass der Computer die Arbeit übernimmt, aber man ist seit dem Anbeginn der Zivilisation davon abhängig, dass bestimmte Arbeiten andere Leute benötigt werden.

Ich denke mir manchmal, dass das ganze ab einem gewissen Punkt so sein müsste, dass Menschen nach Lust und Laune arbeiten können. Allerdings wäre da wahrscheinlich die gesellschaftliche Hürde die größte. Man müsste froh darüber sein, dass es zu wenig Arbeit gibt. Das wäre ziemlich utopisch und jeder könnte das machen, worauf er Lust hätte. Ich denke allerdings, das der gewünschte Lebensstandard der mittleren und oberen Schicht zu schnell wächst, als dass die Technik diesem gerecht werden würde.

Außerdem gibt es da noch die psychologische Sache. Man will etwas besonderes seien, Macht haben und kaum jemand gibt diese einfach auf. Die Technik nimmt einem die Arbeit ab und trotzdem werden die Arbeitszeiten nicht weniger.

Um's kurz zu sagen: Ob diese Entwicklung gut oder schlecht ist hängt vor allem davon ab, wie sie (gesellschaftlich) genutzt wird.
 
Ich denke mir manchmal, dass das ganze ab einem gewissen Punkt so sein müsste, dass Menschen nach Lust und Laune arbeiten können. Allerdings wäre da wahrscheinlich die gesellschaftliche Hürde die größte. Man müsste froh darüber sein, dass es zu wenig Arbeit gibt.

Ja. Wir haben ausreichen Güter bei einem winzigen Teil an Arbeit. Es könnte keinen besseren Zustand als Grundvorraussetzung für das geben, was man Wohlstand nennt.
Diese ganzen politischen Diskussionen pro/kontra H4-Empfänger, wie man im Kleinen was ändern kann usw. Vollkommen sinnfrei.
Ebenso die Diskussionen, wie man Arbeit für alle schaffen könnte - sinnfrei.
Wir haben das, was wir brauchen - Unterhaltung, Essen, usw.
Arbeit brauchen wir nicht. Es ist ein Trugschluss. Sie ist ein notwendiges Übel. Wenn wir es schaffen sie zu minimieren - Sauber!

Ich bin keinesfalls Kommunist, oder Sozialist. Ich wünsche mir nur, dass die Schere Arm/Reich wieder soweit zugezogen wird, bis auch diejenigen ein würdiges Leben führen können, die nicht auf der Sonnenseite stehen.
 
Ich glaube, irgendwann vor geraumer Zeit gab' es Menschen, die einfach so zusammen gelebt haben und gut war's. Dann kam jemand auf die Idee, dass er andere für sich arbeiten lassen könnte und damals werden die Leute nicht anders gedacht haben und haben sich überlegt, dass man das ja eigentlich nicht müsste aber es lockte Reichtum etc.

Heutzutage ist es genauso, nur dass man einfach Computer als effizienteren Ersatz für den Mensch nutzen kann. Die gewonnene Zeit sollte generell als Freizeit genutzt werden. Wegen mir sollte man auch die Arbeitszeiten kürzen und so gewährleisten, dass jeder arbeiten darf und meinetwegen auch muss. Aber dann eben nur 25 anstatt 38, 40 oder noch mehr Stunden.

Macht ja schließlich keinen Sinn, dass einige ganz viel arbeiten und andere gar nicht. Nur leider interessiert sich niemand für dieses Modell, da ja einige davon bevorteilt werden und andere wiederum weniger Reichtum hätten.

Ich persönlich halt Zeit für Luxus in diesen Tagen, drum bin ich froh, wenn ich wirklich ein paar Stunden habe, in denen ich nichts machen muss.

Hin und wieder kommt mir als ITler auch die Idee, dass mein Job (Betreuuung und Erweiterung IT-Ausstattung an Schulen) nicht immer sinnvoll ist und einige Damen und Herren ohne gewisse technische Raffinessen genauso effektiv arbeiten könnten. Aber ich setze meist auch nur um, was "von oben" angeordnet wird.
Ich persönlich halte auch wenig von IT-Geräten im Unterricht (interaktive Tafeln, Notebooks, überall WLAN etc.), denn dadurch wird nicht der Unterricht verändert, sondern nur die Geräte aktualisiert und alles bleibt beim alten.

Insgesamt begrüße ich aber den Fortschritt aber er sollte dazu genutzt werden, um mehr Freiraum für alle zu gewinnen.
 
Macht ja schließlich keinen Sinn, dass einige ganz viel arbeiten und andere gar nicht. Nur leider interessiert sich niemand für dieses Modell, da ja einige davon bevorteilt werden und andere wiederum weniger Reichtum hätten.

Neid ist ein treibendes Element in unserer Gesellschaft. Man sieht es an der derzeitigen Situation. Niedrigverdiener sind unzufrieden weil - und jetzt kommts: Arbeitslose meist nicht weniger haben.
Also wird auf den Arbeitslosen rumgehackt - dem schwächsten Glied unserer Gesellschaft. Es hilft aber den Niedrigverdienenden nicht, wenn man die H4ler noch weiter runterputzt. Das ist komplett unlogisch!
Was den Niedrigverdienenden hilft ist ein höheres Gehalt und nicht eine klarer abgegrenzte Gesellschaftliche Stellung nach unten.

Man kann nicht die Leute dadurch zufrieden stellen, dass man jemanden schafft, der zu ihnen herraufschaut. Das ist tiefstes Mittelalter.
Man muss ihnen geben, was ihnen zusteht.
 
Hi,


ich würd das mal anders betrachten.
Dank Digitaler Vernetzung und Co. ermöglichen sich auch wieder völlig neue Dinge.

Das leben wird dadurch auch leichter. Vor hundert Jahren gab es z.B. keine Autos und co. Heute unvorstellbar. Aber der Mensch könnte dennoch auch wieder bei Null anfangen. Aber das will keiner. Ist ja auch logisch.

Natürlich entwickeln sich manche Dinge in die falsche Richtung. Aber so ist der lauf der Zeit.

Was auf jedenfall auf der Strecke bleibt ist die Individualität.

Und wenn der kleine Buchladen um die Ecke sich nicht anpasst. Tja, dann muss er damit klar kommen. Entweder er schafft das durch neue Ideen, oder nicht.

Ich sag ja immer. Wir IT'ler stehen immer noch am Anfang der Computer Technik. Das Automobil hat auch Hundert Jahre gedauert und ist bis heute nicht perfekt. IT gibt es aber erst ~ 40 - 50 Jahre. Und es dauert bestimmt noch 100 Jahre. :-).
 
Ich denke auch, dass es insgesamt gesehen ziemlich bergauf geht. Man schaue sich einfach an wie gut es dem Großteil der Menschen hier geht und damit sind ja Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Kranke, Behinderte und so weiter und so fort mit eingeschlossen. Alles Randgruppen, die aber nicht zwangsweise ein schlechteres Leben führen müssen.

Idealerweise wird man eines Tages einfach sehen, dass die Entwicklung so stark vorangeschritten ist, dass wirklich niemand mehr zwingend arbeiten muss. Aber wenn es zu gut läuft, könnte diese ganze Geschichte auch stagnieren und es geht den Bach runter.

Der Mensch wird ja erst richtig kreativ, wenn er auch muss :D
 
Ich denke auch, dass es insgesamt gesehen ziemlich bergauf geht. Man schaue sich einfach an wie gut es dem Großteil der Menschen hier geht und damit sind ja Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Kranke, Behinderte und so weiter und so fort mit eingeschlossen. Alles Randgruppen, die aber nicht zwangsweise ein schlechteres Leben führen müssen.
Hm, als ich das letzte mal recherchiert habe, waren die Reallöhne der meisten Leute am Sinken, die Sozialleistungen am Sinken (Einführung Hartz4), die Spitzensteuer auch am Sinken (für die Reichen), dafür aber die Konsumsteuern (die einkommensunabhängig belasten) am Steigen. Es gab auch mal eine Umfrage, die ergab, dass eine Mehrheit der Deutschen glaubt ihre Kinder werden es schwerer haben als sie selbst.
Das ist ein Paradigmenwechsel. Der Aufschwung ist vorbei, die Zeit wo Profite so groß waren, dass man für sozialen Frieden allen zumindest ein bisschen Fortschritt gegeben hat ist rum.
Idealerweise wird man eines Tages einfach sehen, dass die Entwicklung so stark vorangeschritten ist, dass wirklich niemand mehr zwingend arbeiten muss.
das ist das größte Missverständnis unserer Gesellschaft. Wir haben nicht Probleme, wegen mangelnder Technik, sondern wegen der Machtverteilung und den Strukturen in der Gesellschaft. Das sieht man an der schon beschriebenen Rationalisierung der Arbeitsplätze hier bei uns (die Gesamtarbeit wird weniger, trotzdem sinken die Arbeitszeiten nicht -- im Gegenteil), das sieht man an Afrika, wo irgendwelche Firmen uns jetzt einreden, wir könnten durch genmanipuliertes Gemüse den Hunger stoppen -- welch Hohn, als hätten da Menschen immer gehungert, und auch noch weil die Natur zu ungenügend sei.

Das sieht man auch prächtig an der Diskussion über Urheberrechte, da können wir in einem Bereich etwas kostenlos replizieren und trotzdem wir die Verbreitung eingeschränkt. Hätten wir Replikatoren wie in Star Trek müsstest du für ein Brot trotzdem eine Lizenz erwerben…

Armut (sowohl absolute als auch relative) ist ein soziales Phänomen, ein Resultet unserer Gesellschaftsform. Es kann keine technische Lösung dafür geben, sondern nur eine soziale.

Insofern ist aber auch nicht die Technik, die der Untergang ist. Sie ist nur ein Werkzeug. Wenn die Menschen sich ihre politische und sozialen Rechte irgendwann aneignen wird die Technik auch Instrument zum allgemeinen Fortschritt werden.
 
>Wenn die Menschen sich ihre politische und sozialen Rechte irgendwann aneignen wird die Technik auch Instrument zum allgemeinen Fortschritt werden.

Um bei dem Beispiel Star Trek zu bleiben, dort brauchte es noch mehrere Zäsuren, in Form von diversen Kriegen, bis die Menschheit bereit für Änderungen war. Wie man auch heute sieht sind die ganzen Kriege noch nicht genug, vielleicht braucht es einer omnipotenten Bedrohung von außen, um dem Mensch seinen Mitmenschen in aller Konsequenz bewußt werden zu lassen. So aber wie es sich jetzt entwickelt sehe ich schwarz.
 
Ok, so gesehen hast du Recht. Ich denke auch nicht, dass mein Gedanke in nächster Zeit zum tragen kommen wird.

Die gesamte Gesellschaft ist eh zu groß, um von irgendeiner Regierungsforum auch nur einigermaßen gut vertreten zu werden. Dazu kommen die Probleme, die Menschen immer untereinander haben, noch dazu.
 
>Wenn die Menschen sich ihre politische und sozialen Rechte irgendwann aneignen wird die Technik auch Instrument zum allgemeinen Fortschritt werden.

Um bei dem Beispiel Star Trek zu bleiben, dort brauchte es noch mehrere Zäsuren, in Form von diversen Kriegen, bis die Menschheit bereit für Änderungen war. Wie man auch heute sieht sind die ganzen Kriege noch nicht genug, vielleicht braucht es einer omnipotenten Bedrohung von außen, um dem Mensch seinen Mitmenschen in aller Konsequenz bewußt werden zu lassen. So aber wie es sich jetzt entwickelt sehe ich schwarz.

Und wenn sich die Menschen nicht gegenseitig bekämpfen, sondern gegen eine gemeinsame Gefahr losgehen, ist das Problem nicht gelöst!
 
>Und wenn sich die Menschen nicht gegenseitig bekämpfen, sondern gegen eine gemeinsame Gefahr losgehen, ist das Problem nicht gelöst!

Es existieren diverse Beispiele in der Geschichte der Menschheit die Gegenteiliges berichten. Natürlich ist es keine Garantie und bis dato existierten auch noch keine wirklichen omnipotenten Bedrohungsszenarien, aber in Mikrokulturen funktioniert es beispielsweise - teils sogar mit Nachhaltigkeit. Wie dem auch sei, "der Mensch ist dem Mensch ein Wolf" ist ein seit der Antike bekanntes geflügeltes Wort ("homo homini lupus"), daß die Natur des Menschen recht gut beschreibt. Einerseits Triebfeder des Überlebens, andererseits Aderlaß der Menschlichkeit.
 
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