FreeBSD, OpenBSD, NetBSD

Sloop

Well-Known Member
Hallo miteinander,

falls ich das falsche Forum erwischt habe, bitte ins richtige verschieben *sorry* (war mir nicht sicher, in welche Kategorie ich posten soll).

Ich will mit meiner Frage keinen Streit, FlameWar oder ähnliches provozieren sondern lediglich eine ALLGEMEINE Information bezüglich folgender Frage erhalten:

Was sind eurer Meinung nach die grundlegensten Unterschiede zwischen FreeBSd, OpenBSD und NetBSD

-und-

Was sind die Gründe, um sich für eins der oben genannte BSD zu entscheiden?

Aus einigen Recherchen konnte ich lediglich entnehmen, dass OpenBSD als sehr sicher gilt, da es keine bekannten ungepatchten Bugs gibt, Free- und NetBSD haben anscheinend 3. Was sonst unterscheidet die Betriebssysteme untereinander?

Wann sollte ich mich z.B. für FreeBSD entscheiden, wann für OpenBSD und wann für NetBSD? Kurze Info: ich möchte KEIN Desktop-System, keine Grafik, sondern lediglich an der Konsole arbeiten. Ich möchte diverse Netzwerk-Tools betreiben, evtl. auch einige Dienste bereitstellen, ich sollte möglichst Sources runterladen können und diese selbst kompilieren und einsetzen können. Evtl. auch einen Root-Server aufsetzen mit BSD. Also eher Serverbereich würde ich mal sagen.

Bin für jede Antwort sehr dankbar.
 
Jetztendlich ist es eine Glaubensfrage. Ich selbst bin FreeBSDler, versuche es aber mal halbwegs objektiv hinzubekommen:

FreeBSD sieht sich selbst als Universal-System, welches ursprünglich mal ausschließlich für den Intel i386 und seine kompatiblen Abkömmlinge entwickelt wurde. Von allen BSDs bietet FreeBSD sicherlich immer noch die beste Hardwareunterstützung, in den Ports befinden sich mehr als 19.000 portierte Anwendungen. Das einzige freie System, was dort mengenmäßig mithalten kann ist Debian. FreeBSD ist gut dokumentiert, ein Großteil der Doku ist auf deutsch verfügbar. Das Entwicklungsmodell orientiert sich auf eine Mischung neuer Features und Stabilität zu gleich, deren Schwerpunkt gegeneinander sich in der Vergangenheit mehrmals verschoben hat. Im Moment steht letztes im Vordergrund.
FreeBSD hat in den letzten 7 bis 8 Jahren eine ganze Reihe radikaler Veränderungen durchgemacht. Das begann mit den Portieren auf eine ganze Reihe weiterer Plattformen. Begonnen 1997 mit dem inzwischen wieder eingestellten Alpha-Support über SPARC64, PowerPC, AMD64 und ARM bishin zu ganz akutell MIPS. Dazu kommen radikale Umbauten am Kernel, die FreeBSD extrem gut auf großen SMP-Maschinen skalieren lassen. Das ganze hat dazu geführt, dass FreeBSD im Vergleich zu seinen 3 Brüdern etwas abseits steht, da es inzwischen einfach ein wenig "anders" ist. Von allen 3 Systemen hat FreeBSD auch die höchsten Hardwareanforderungen. Ein Pentium III sollte es zum flüssigen und entspannenden Arbeiten mit aktuellen Versionen schon sein, alles darunter macht dann doch eher weniger Spaß.
FreeBSD hatte in der Vergangenheit recht geringe Hemmungen gegenüber Blobs, es gibt daher einen eher bescheidenen nVidia-Blob und die bekannten, inzwischen freien (nicht in Release-Vesionen) Atheros-Treiber. Wie man dazu steht muss jeder für sich ausmachen. Nachteilig bei FreeBSD ist der eher bescheidene USB-Support und das teils recht lahme IO. Beides wird in FreeBSD 8 addressiert.

DragonflyBSD ist ein Fork aus FreeBSD 4, da Matt Dillon den Weg von FreeBSDs SMPng falsch fand. Es hat eine Menge Fehlerkorrekturen an der Codebasis vorgenommen, außerdem eine Reihe Verbesserungen. So der vKernel und das HAMMER-Dateisystem, welches dort das alte FFS ersetzt. Dragonfly ist aber eher ein Experimentalsystem, als ein gutes System für den täglichen Einsatz. Dazu schreitet es noch zu langsam voran und sakliert nach wie vor zu schlecht.

NetBSD ist das älteste der freien BSD-Derivate. Einige Monate älter als FreeBSD. Im Fokus stehen Portierbarkeit und Stabilität. NetBSD läuft buchstäblich auf allem, was auch nur entfernt eine CPU hat, es gibt da sogar den berühmten NetBSD-Toaster. Programme werden per pkgsrc installiert, ein Framework, was auch auf anderen Plattformen läuft. Darunter auch Linux. NetBSD wird nicht so konservativ wie sein Bruder OpenBSD entwickelt und schreitet inzwischen nach einigen luftlosen Jahren wieder gut voran. Der Hardwaresupport ist erstaunlich gut, das System sehr stabil und ausgereift. Es skaliert in der (kommenden) Version 5 auch schon recht gut auf SMP-Systemen, nicht so gut wie FreeBSD aber deutlich besser als OpenBSD. Dabei ist es trotzdem konservativer, es hat die Neuerungen, die auch FreeBSD hat. Teils aus FreeBSD übernommen, teilweise an FreeBSD weitergereicht. Darunter das neuere RC-System zum Systemstart und FFS2 aka UFS2 und OpenPAM. Auf eher funktional sinnlose Spielereien wie zwangsweises DevFS wird verzichtet. Sollte es mich irgendwann einmal zu einem anderen BSD ziehen, wäre NetBSD sicher meine Wahl.

OpenBSD ist ein Fork aus NetBSD. Die Verwandschaft ist auch nach 12 Jahren schwer zu leugnen, beides ist sich doch recht ähnlich. OpenBSD wird noch konservativer entwickelt, es gibt zwei Veröffentlichungen pro Jahr. Paketmanagement erfolgt auch hier durch Ports, man nutzt aber meist Binärpakete. Wie du schon schriebst ist der Fokus auf Sicherheit und Codequalität, was recht radikal umgesetzt wird. Umfassende Codeaudits, etc. Nur 2 Löcher in der ganzen Geschichte in der allerdings extrem konservativen Standardinstallation. Da bei OpenBSD eine Reihe Tools zum Basissystem gehören, darunter Apache und co., ist ein OpenBSD schnell aufgesetzt und noch schneller konfiguriert. Der Hardwaresupport ist gut, OpenBSD legt sehr viel Wert auf Freiheit und akzeptiert keinerlei Blobs und ähnliches. Dank seiner Herkunft ist OpenBSD recht portabel, läuft auf mehr Plattformen als FreeBSD aber weniger als NetBSD. Ich sage immer so schön, OpenBSD ist ein super System, vielleicht das reifeste der BSD-Familie und das reifeste praktisch nutzbare überhaupt. Aber es ist auch eine Lebenseinstellung, die man akzeptieren und leben muss.
 
Hallo und recht herzlichen Dank für die ausführliche Stellungnahme. Hat mir wirklich weitergeholfen. Wünsche euch noch ein frohes Weihnachtsfest.

LG,
Sloop.
 
Danke yamagi, durch deinen Anriß habe ich die BSD-Familie doch nochmal ein Stück besser verstehen gelernt (Wikipedia ist mir manchmal zu langatmig, da vergißt man wieder die Hälfte ...).
 
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