Die Begriffe von Verifikation und Falsifikation entstammen einem naturwissenschaftlichen und technischen Umfeld und haben da auch ihre Berechtigung. Sie machen dann Sinn wenn der Gegenstandsbereich recht eng ist. Das wird daran deutlich dass du zwar einen Algorhytmus oder auch ein Programm verifizieren kannst, kaum aber ein ganzes OS, einen Cluster oder was auch immer. Außerdem setzt du bestimmte Kriterien dafür an was denn richtiges funktionieren bedeutet. Ich nehme an dass ihr auch irgenwelche Heuristiken über den möglichen Fehlerbereich verwendet. Aber ich bin kein Techniker, wichtig ist nur das der Bereich der Application relativ begrenzt ist.
Wenn man die Begriffe aber im gesellschaftlich-politischen Umfeld verwendet, dann stellt er Anforderungen die niemals erfüllt werden können da die Komplexität des Gegenstandes einfach zu groß ist was sie unbrauchbar macht. Wie also können wir z.B. die Richtigkeit oder Angemessenheit einer Behauptung oder eines Zeitungsartikels überprüfen? Die zwei entscheidenden Kriterien sind hier Kohärenz, also innerer Zusammenhang der dargestellten Elemente, und Konsistenz, also logische Widerspruchsfreit. Wenn die nicht gegeben sind, kann man alles weitere gleich vergessen. Wenn die aber gegeben sind kann ich an Hand der Argumentation die Pämissen, also die Voraussetzungen auf denen die Argumentation beruht, feststellen und ob alle relevant erscheinenden Aspekte berücksichtigt sind. Jetzt kann es natürlich sein dass ich die Prämissen nicht teile oder andere Aspekte für relevant erachte, was häufig der Fall ist. Aber immerhin kann ich den Betreffenden verstehen, auch wenn ich dessen Auffassung nicht teile. Er hat halt eine andere, aber begründete Auffassung als ich. Der Author ist deswegen nicht blöd, lügt, spinnt oder hat sich kaufen lassen. Ich will damit nicht sagen dass das letztere nicht vorkommt, aber meist ist das dann doch zu offensichtlich und man kann denjenigen vergessen. Subtilere Interessen zu identifizieren ist oft schwierig.
Jein.
Zum einen fehlen wichtige Faktoren und Mechanismen, z.B. Vollständigkeit, situativer und perspektivischer Kontext, so dass die Kohärenz- und oft sogar die Konsistenzprüfung nicht greift, unkorrekte Ergebnisse liefert oder sogar zum attack vector werden kann.
Zum anderen weil das Modell als solches erhebliche Mängel hat, einbezogen werden müsste (in die prüfende Betrachtung), aber meist entweder schlicht ignoriert oder falsch bewertet wird.
Ein konkretes Beispiel: Ist das, was wir an Informationen bekommen, das Ergebnis eines Prozesses, der die Versorgung mit objektiven und korrekten Informationen zum Ziel hat? Diese Frage ist, wohlgemerkt, weniger dämlich als sie klingen mag; immerhin ist dies eine Vorgabe des Grundgesetzes, die wichtig genug ist, um dafür Privilegien zu gewähren.
Nun, wie bekannt ist das Ziel der nicht öffentlich-rechtlichen medien schlicht die Erzielung von Gewinn. Mehr noch, wenn auch weniger bekannt oder bewusst ist, dass diese Unternehmen erheblich mehr Gewinn aus Werbung erzielen als aus Abonnements und dergleichen. Werbung allerdings lässt sich, wenn auch etwas lose und frech formuliert, als das Gegenteil von objektivem und korrektem Informieren sehen.
Kurz, im Bereich nicht-ÖR medien Kohärenz und Konsistenz zu prüfen ist a priori ein fragwürdiges Unterfangen, da doch der Mechanismus selbst die Versorgung mit objektiven und korrekten Informationen günstigenfalls als nachrangig betrachtet.
Und dabei habe ich noch nicht einmal
bekannte Geheimdienst-, Wirtschafts- und andere Verflechtungen betrachtet.
Bei den ÖR medien sieht es oberflächlich weniger schlimm aus. Bei genauerem Hinsehen allerdings sieht es im Zweifel noch übler aus. Möglicherweise deshalb, weil die Leser und Zuschauer einerseits Verfügungsmasse der Bestimmer und Besitzer (des Staates) sind, andererseits aber zugleich Quelle der eigenen bevorzugten Position. Was auch immer das primäre Interesse der ÖR medien sein mag, die Versorgung der Bürger mit objektiven und korrekten Informationen ist es jedenfalls ziemlich offensichtlich nicht.
Was kann der Bürger tun? Interessanterweise gilt hier eben das, was man als hochrangiges Rechtsprinzip staatlichen Handelns, insbesondere der Justiz, aber auch als wichtiges Prinzip im sozialen Miteinander, insbesondere in der Abwägung bei Beurteilungen hoch hält und in Schulen vermittelt, hier aber plötzlich als fragwürdig, ja als übel beleumundet; häufig wird es sogar mit Etiketten wie "Verschwörungstheoretiker" oder "Propagandaopfer" geächtet.
Ich spreche vom "audiatur et altera pars", davon, auch die andere Seite zu hören.
Und in der Tat sieht so manches ganz anders aus, wenn man mal die russische oder die irakische oder ... Seite hört. Und diese Möglichkeit, auch mal die andere Seite zu hören, ist ja durchaus verfügbar.
Kurz noch zu Snowden:
Ich gebe zu bedenken, dass auch die Variante "Panoptikon" (zumindest bisher) nicht auszuschließen ist. Hierbei ginge es, kurz gesagt, darum, den Menschen
bewusst und gezielt den Eindruck zu vermitteln, dass sie der weitgehend kompletten Überwachung völlig ausgeliefert sind und dass diese Überwachung tatsächlich zumindest weitgehend komplett ist.
In diesem Zusammenhang ist auch die us-amerikanische Doktrin zu bedenken, ihre Interessen auf jeden Fall und mit allen Mitteln - ausdrücklich auch international geächteten und/oder militärischen - durchzusetzen. Dazu kommt, dass sich hier zwei Paradigmen vereinigt haben könnten; zum einen das, aus der verhaltenen Stellung unmittelbar in die offene Aggression zu wechseln und zum anderen das (Psychologen seit mindestens 100 Jahren bekannte (siehe u.a. Bernay)), dass es oft völlig egal ist, ob ein Sachverhalt tatsächlich vorliegt oder ob die Menschen nur
glauben, er läge vor. Als Beispiel könnte man Drachen anführen; auch da war es jahrhundertelang (!) ziemlich egal, ob es Drachen wirklich gibt oder ob die Menschen das nur glaubten.
Disclaimer: Snowden ist mir persönlich recht egal und ich möchte in der Sache weder diese noch jene Sicht propagieren. Worum es geht ist, wirklich mit offenem Blick zu betrachten und sich nicht frühzeitig in eine bestimmte Interpretation drängen zu lassen.