Ich denke nicht, dass Ubuntu damit Erfolg haben wird. Es ist durchaus zu begrüßen, dass endlich mal jemand was wirklich grundlegendes im Bereich Fenstersystem ändern will, aber meine bescheidene Meinung ist, dass hier der falsche Weg gegangen wird:
- Wayland ist zu X11 inkompatibel. Das bedeutet, dass Toolkits und Anwendungen angepasst werden müssen. Bei GTK und QT mag das schnell passieren, aber was ist mit dem riesigen Berg alter Anwendungen? Motif, Xt, Athena, Xaw, Xaw3D, tk, etc. sind praktisch auf alle Ewigkeiten ausgesperrt, d.h. man darf sie in einem X-Server auf Wayland oben drauf betreiben. Und wie gut sowas funktioniert kenne ich zu genüge von Mac OS X und Windows. Bei klassischen 2D-Anwendungen wird man mit dem Geruckel noch leben können, aber sobald es an komplexere Sachen geht, ist es einfach PITA.
- Wayland braucht neue Treiber, im Moment baut nur Intel welche. Die Entwickler des freien ATI-Treibers werden kaum ihre sehr beschränkte Manpower auf ein zweifelhaftes Projekt vergeuden wollen. nVidia hat bereits ein klares "Nein" von sich gegeben, nachzulesen irgendwo in den Tiefen von nvnews.net. Und an einen ATI-Blob für Wayland glaube ich aus bitterer Erfahrung mit deren Linux-Treibertruppe nicht wirklich. Nur wie soll ein 3D-Desktop ohne brauchbare 3D-Treiber laufen?
- Wayland löst nicht das Problem. Ich habe viel mit X11 gemacht, auch sehr low level. Ich gebe zu, dass es dringend mal aufgeräumt werden müsste. Das bedeutet, das Kernprotokoll entschlacken, Erweiterungen in es überführen und einige Limitierungen (maximal 256 Fenster) aufheben. Dazu müsste die Implementierung in Form von X.org dringend grundlegend überarbeitet werden. Aber davon einmal abgesehen ist X11 a) immer noch extrem schnell, in vielen Belangen weitaus schneller als Windows Presentation Foundation und Quartz Extreme. Es ist b) vollständig netzwerktransparent. Und es ist c) seit 30 Jahren bewährte Technik, die gut verstanden ist und praktisch endlos nach oben skaliert. Das nun einfach wegzuwerfen ist dumm, man schafft sich einen Haufen neuer Probleme, löst viele der vorhandenen nicht. Ein X12 wäre sinnvoller. Vor dem Hintergrund ist zu erwähnen, dass Wayland bei weitem nicht der erste Versuch ist, X11 zu ersetzen.
- Wayland ist eine One Man Show. Genau. Die haben exakt einen Entwickler. Wie viele Canonical stellen wird, wird man sehen, aber der Erfahrung nach dürfte sich ihr Beitrag stark in Grenzen halten. Wie soll das Ding so jemals konkurrenzfähig werden?
- Last but not least ist es wenig glaubwürdig, dass das Ding in einem Jahr für Desktopsysteme reif sein soll. Selbst wenn man parallel einen X-Server mitinstalliert, klingt das nach einem weiteren Stück unausgereifter Alpha-Software, die mit Gewalt in den Markt gedrückt werden soll. Und das könnte sehr schnell eine Bauchlandung geben.
Sinniger als der nun gewählte Weg wäre es meiner bescheidenen Meinung nach Wayland erst einmal dort zu nutzen, wofür es aktuell entwickelt wird. Auf embedded Geräten wie Meego-Linux. Dort kann man Erfahrungen sammeln und es nach oben wachsen lassen. Canonical könnte sagen "Wir wollen in Zukunft auf Wayland wechseln, wer geht mit uns diesen Weg mit?" und sich dann langsam diesem Ziel nähern. Aber was schreibe ich es, Wayland wird nach derzeitigem Stand eh niemals unter BSD laufen, da es selbst von KMS und GEM abgesehen sehr linuxnah zu sein scheint.