cdp_xe
Well-Known Member
Ich mach mich jetzt mal unbeliebt ;-) Ich sehe soviel Dinge, auf die ich gerne einmal hinweisen möchte und hatte vor einigen Monaten einen Text drüber geschrieben. Hier sind die zwei entsprechenden Absätze, die mir im Zusammenhang mit Linux+BSD besonders wichtig sind. Ich empfehle auch das Buch 'Statussymbole' von Lauster (ich glaub, es stammt noch aus den 70ern oder 80ern, aber es ist gut), falls sich jemand weiter mit dem Thema auseinander setzen will.
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Doch nun zur Identifikation mittels anderer Dinge und damit auch zurück zur Aggression.
Wer kennt sie nicht, die BMW fahrenden türkischen Mitbürger die extrem cool tun. In der Internet-Community kann man eine (nur besser getarnte) hervorragende Analogie zu diesen Mitbürgern sehen. Man findet äußerst intelligente Menschen die doch kein Stück Weisheit zu besitzen scheinen.
Diese Menschen (und es sind viele intelligente darunter) identifizieren sich durch ihr Betriebssystem, ihrer OpenSource-Philosophie oder ähnlichem und reagieren aggressiv auf alle, die eine andere Meinung haben.
Ein perfektes Beispiel hierzu ist die OpenSource-Community. Es fängt damit an, dass man sich gegen Windows und Bill Gates lehnt. Windows ist natürlich fuchtbar und Bill Gates ein Verbrecher -- das wissen wir ja alle. Wenn man nach den Gründen fragt, bekommt man Antworten wie die, dass Bill Gates Geld verdienen will -- welch ein Verbrechen. Dass Bill Gates jährlich Millionen von US-Dollar an Hilfe für die dritte Welt spendet beachtet dabei keiner, denn keiner hinterfragt es. Der Fairnis halber sei allerdings auch gesagt, dass Bill Gates wohl auch ein recht simples Menschenbild a la 'Ich Kapitalist, Du Sozialist, wenn Du nicht finden gut, was ich!' inne hat und Microsofts Produkte leider immer schlechter werden (Man denke an das noch sehr performante und vernünftige Visual Studio 6 und das grauenhaft langsame .NET mit seiner Intermediate Language Java-Bytecode-Nachmache).
Der nächste Punkt ist der, dass es Streitereien darüber gibt, welche OpenSource Softwarelizenz die bessere sei. Ob man nun sein Leben der GPL oder der BSD-License anvertraut ist ein elementarer Unterschied. Und so bekämpfen sich die heiligen, nahezu wundersam friedlich erscheinenden Love-and-Peace-Communities von BSD und Linux täglich mit neuen unwichtigen Details. Da ist die Entwicklungsphilosophie von Linux furchtbar und da gibt es Bilder wie dass auf dem Beastie (der BSD-Daemon) TuX (das Linux-Logo) vergewalltigt. Hinzu kommen Sprüche a la >Ich bin BSDler, ich darf dass.<, >Mit BSD wär das nicht passiert< (bezogen auf Linux) usw. usf. Diese Sprüche sollen lustig erscheinen, sind aber eigentlich eine demonstration des Staatussymbols >Betriebssystem< und tragen den insgeheimen Wunsch >wichtig zu sein< und Anerkennung zu erhalten weil man einer Sache hinterherläuft in sich. Den Satz "Kennen wir dass nicht aus den 30'er Jahren?" sollte ich evtl. streichen ;-)
http://cdp.doomed-reality.org/papers/tuxbeastie1.jpg
http://cdp.doomed-reality.org/papers/tuxbeastie2.jpg
http://members.cox.net/inkpress/images/freebsd1.jpg
Der nächste Punkt ist die Identifikation mit der Shell. Shellverfechter sehen sich oftmals als erhaben über die Nutzer grafischer Oberflächen wie KDE an. KDE ist schließlich schlecht da es Windows ähnelt. Einen vernünftigeren Grund bekommt allerdings fast niemand zu stande. Und so müht man sich in der Shell mit einem Konsolen-Mailprogramm und einem Konsolen-Newsreader etc. ab, damit in der User-Agent-Zeile auf irgend einem Server dann >mutt<, >slrn< oder >lynx< auftaucht.
Vorhin nannte ich bereits strikte Verhaltensregeln als Form des Statussymbols. Es ist jedoch viel mehr eine Form der Abgrenzung gegenüber Anderen. So, wie das feine Verhalten zu Tisch bei der wohlhabenden Gesellschaft zeigt, ob man >dazu gehört<, zeigen auch Verhaltensregeln im USENET, ob man dazugehört oder nicht. Das USENET ist hervorragend um dies zu demonstrieren. Beispielsweise verpöhnt sind HTML-Mails. Diese Mails kann man schließlich nicht mit einem Konsolen-Client lesen und mal ganz davon abgesehen belassten sie die armen Glasfaserkabel mehr als Plaintext. Ebenfalls fuchterbar ist, wenn man seine Signatur mit falschen Zeichen oder zuwenig richtigen oder zuviel richtigen vom Plaintext abtrennt, falsch postet, falsch antwortet.
Hierzu passt auch das äußerst provozierende <blink>-Tag. Senden Sie doch spaßeshalber einmal eine HTML-Mail mit Anhang, buntem Text und Hintergrundbild sowie blinkendem Text an jemanden, der soetwas ernst nimmt. Oder wie wärs mit einem Posting mit Caps-Lock in de.org.ccc?
Aus diesem Blickwinkel zeigt sich die gütige OpenSource-Welt folglich nicht besser als die kommerzielle. Und wenn ich Ihnen dies aufzeigen konnte, bin ich darüber bereits äußerst froh.
Was nun noch hinzu kommt ist der Perfektionismus unserer Gesellschaft, der sich selbstverständlich auch in der Computer-Community zum Ausdruck bringt.
Nehmen wir doch wieder das OpenSource-Beispiel, speziell einen Softwareentwickler. Neue Features müssen möglichst sofort implementiert werden (das ist in der kommerziellen Industrie wohl noch intensiver ausgeprägt) und um dem Druck der Konkurenz stand zu halten und damit natürlich auch das Statussymbol >Ansehen< zu sichern, muss man der erste und beste sein, der etwas implementiert.
Zudem gilt es als Imageverlußt, zu zeigen, dass man etwas nicht beherrscht. Ein >Wie -- Du kannst das nicht?< ist dann oft schon vorprogrammiert. Dass zeigt auch, von welcher Feindseligkeit und Oberflächlichkeit diese Atmosphäre geprägt ist. Man erlebt es trauriger Weise als etwas positives, wenn man mehr kann als jemand anders, zeigt es ihm eventuell sogar explizit nur um von diesem Gefühl noch etwas mehr zu fühlen. Man sammelt Wissen, will aber nichts weitergeben.
Wie Fatal gerät man in die Schlagzeilen, wenn man mal ein paar Bugs in irgend einer Software hat. Vielleicht ist dass für das weltweite Backbone eines Konzernes von Bedeutung, aber der 0-8-15 Unix-Nutzer von zuhause wechselt dann am Besten ebenfalls gleich die mal Software -- was wäre schließlich, wenn meine wertvollen Mails von jemand anders gelesen werden würden? Oh, pardon. Die sind natürlich 1024-Bit verschlüsselt auf der Platte gespeichert.
--------------------- snap ---------------------------
Ich weiß, Rechtfertigungen, "du hast da was vergessen", "du bist das letzte" usw. werden folgen. Aber vielleicht stimmt mir der eine oder andere ja auch zu und/oder sieht zumindest etwas, was er vorher noch nicht sah.
Und weil Kritik alleine nicht viel bringt, hier ein paar gute Sachen:
* Linux, BSD, &UNIX Systeme haben viel voneinander gernt (man denke mal an das SVR4-Runlevelsystem oder die SVR4-IPC.
* Wenn man sich zusammen tut und sich nicht wegen Oberflächlichkeiten verfeindet, kann man viel mehr erreichen . Man kann vorhandene Projekte noch wesentlich verbessern und freie B.S. noch mehr verbessern.
PS. Den kompletten Text hab ich unter http://cdp.doomed-reality.org/?sub=papers/computer_soc aber das relevante war bereits hier zu lesen.
cdp
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Doch nun zur Identifikation mittels anderer Dinge und damit auch zurück zur Aggression.
Wer kennt sie nicht, die BMW fahrenden türkischen Mitbürger die extrem cool tun. In der Internet-Community kann man eine (nur besser getarnte) hervorragende Analogie zu diesen Mitbürgern sehen. Man findet äußerst intelligente Menschen die doch kein Stück Weisheit zu besitzen scheinen.
Diese Menschen (und es sind viele intelligente darunter) identifizieren sich durch ihr Betriebssystem, ihrer OpenSource-Philosophie oder ähnlichem und reagieren aggressiv auf alle, die eine andere Meinung haben.
Ein perfektes Beispiel hierzu ist die OpenSource-Community. Es fängt damit an, dass man sich gegen Windows und Bill Gates lehnt. Windows ist natürlich fuchtbar und Bill Gates ein Verbrecher -- das wissen wir ja alle. Wenn man nach den Gründen fragt, bekommt man Antworten wie die, dass Bill Gates Geld verdienen will -- welch ein Verbrechen. Dass Bill Gates jährlich Millionen von US-Dollar an Hilfe für die dritte Welt spendet beachtet dabei keiner, denn keiner hinterfragt es. Der Fairnis halber sei allerdings auch gesagt, dass Bill Gates wohl auch ein recht simples Menschenbild a la 'Ich Kapitalist, Du Sozialist, wenn Du nicht finden gut, was ich!' inne hat und Microsofts Produkte leider immer schlechter werden (Man denke an das noch sehr performante und vernünftige Visual Studio 6 und das grauenhaft langsame .NET mit seiner Intermediate Language Java-Bytecode-Nachmache).
Der nächste Punkt ist der, dass es Streitereien darüber gibt, welche OpenSource Softwarelizenz die bessere sei. Ob man nun sein Leben der GPL oder der BSD-License anvertraut ist ein elementarer Unterschied. Und so bekämpfen sich die heiligen, nahezu wundersam friedlich erscheinenden Love-and-Peace-Communities von BSD und Linux täglich mit neuen unwichtigen Details. Da ist die Entwicklungsphilosophie von Linux furchtbar und da gibt es Bilder wie dass auf dem Beastie (der BSD-Daemon) TuX (das Linux-Logo) vergewalltigt. Hinzu kommen Sprüche a la >Ich bin BSDler, ich darf dass.<, >Mit BSD wär das nicht passiert< (bezogen auf Linux) usw. usf. Diese Sprüche sollen lustig erscheinen, sind aber eigentlich eine demonstration des Staatussymbols >Betriebssystem< und tragen den insgeheimen Wunsch >wichtig zu sein< und Anerkennung zu erhalten weil man einer Sache hinterherläuft in sich. Den Satz "Kennen wir dass nicht aus den 30'er Jahren?" sollte ich evtl. streichen ;-)
http://cdp.doomed-reality.org/papers/tuxbeastie1.jpg
http://cdp.doomed-reality.org/papers/tuxbeastie2.jpg
http://members.cox.net/inkpress/images/freebsd1.jpg
Der nächste Punkt ist die Identifikation mit der Shell. Shellverfechter sehen sich oftmals als erhaben über die Nutzer grafischer Oberflächen wie KDE an. KDE ist schließlich schlecht da es Windows ähnelt. Einen vernünftigeren Grund bekommt allerdings fast niemand zu stande. Und so müht man sich in der Shell mit einem Konsolen-Mailprogramm und einem Konsolen-Newsreader etc. ab, damit in der User-Agent-Zeile auf irgend einem Server dann >mutt<, >slrn< oder >lynx< auftaucht.
Vorhin nannte ich bereits strikte Verhaltensregeln als Form des Statussymbols. Es ist jedoch viel mehr eine Form der Abgrenzung gegenüber Anderen. So, wie das feine Verhalten zu Tisch bei der wohlhabenden Gesellschaft zeigt, ob man >dazu gehört<, zeigen auch Verhaltensregeln im USENET, ob man dazugehört oder nicht. Das USENET ist hervorragend um dies zu demonstrieren. Beispielsweise verpöhnt sind HTML-Mails. Diese Mails kann man schließlich nicht mit einem Konsolen-Client lesen und mal ganz davon abgesehen belassten sie die armen Glasfaserkabel mehr als Plaintext. Ebenfalls fuchterbar ist, wenn man seine Signatur mit falschen Zeichen oder zuwenig richtigen oder zuviel richtigen vom Plaintext abtrennt, falsch postet, falsch antwortet.
Hierzu passt auch das äußerst provozierende <blink>-Tag. Senden Sie doch spaßeshalber einmal eine HTML-Mail mit Anhang, buntem Text und Hintergrundbild sowie blinkendem Text an jemanden, der soetwas ernst nimmt. Oder wie wärs mit einem Posting mit Caps-Lock in de.org.ccc?
Aus diesem Blickwinkel zeigt sich die gütige OpenSource-Welt folglich nicht besser als die kommerzielle. Und wenn ich Ihnen dies aufzeigen konnte, bin ich darüber bereits äußerst froh.
Was nun noch hinzu kommt ist der Perfektionismus unserer Gesellschaft, der sich selbstverständlich auch in der Computer-Community zum Ausdruck bringt.
Nehmen wir doch wieder das OpenSource-Beispiel, speziell einen Softwareentwickler. Neue Features müssen möglichst sofort implementiert werden (das ist in der kommerziellen Industrie wohl noch intensiver ausgeprägt) und um dem Druck der Konkurenz stand zu halten und damit natürlich auch das Statussymbol >Ansehen< zu sichern, muss man der erste und beste sein, der etwas implementiert.
Zudem gilt es als Imageverlußt, zu zeigen, dass man etwas nicht beherrscht. Ein >Wie -- Du kannst das nicht?< ist dann oft schon vorprogrammiert. Dass zeigt auch, von welcher Feindseligkeit und Oberflächlichkeit diese Atmosphäre geprägt ist. Man erlebt es trauriger Weise als etwas positives, wenn man mehr kann als jemand anders, zeigt es ihm eventuell sogar explizit nur um von diesem Gefühl noch etwas mehr zu fühlen. Man sammelt Wissen, will aber nichts weitergeben.
Wie Fatal gerät man in die Schlagzeilen, wenn man mal ein paar Bugs in irgend einer Software hat. Vielleicht ist dass für das weltweite Backbone eines Konzernes von Bedeutung, aber der 0-8-15 Unix-Nutzer von zuhause wechselt dann am Besten ebenfalls gleich die mal Software -- was wäre schließlich, wenn meine wertvollen Mails von jemand anders gelesen werden würden? Oh, pardon. Die sind natürlich 1024-Bit verschlüsselt auf der Platte gespeichert.
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Ich weiß, Rechtfertigungen, "du hast da was vergessen", "du bist das letzte" usw. werden folgen. Aber vielleicht stimmt mir der eine oder andere ja auch zu und/oder sieht zumindest etwas, was er vorher noch nicht sah.
Und weil Kritik alleine nicht viel bringt, hier ein paar gute Sachen:
* Linux, BSD, &UNIX Systeme haben viel voneinander gernt (man denke mal an das SVR4-Runlevelsystem oder die SVR4-IPC.
* Wenn man sich zusammen tut und sich nicht wegen Oberflächlichkeiten verfeindet, kann man viel mehr erreichen . Man kann vorhandene Projekte noch wesentlich verbessern und freie B.S. noch mehr verbessern.
PS. Den kompletten Text hab ich unter http://cdp.doomed-reality.org/?sub=papers/computer_soc aber das relevante war bereits hier zu lesen.
cdp