Die weniger naive Folgerung ist komplexer, läuft am Ende aber darauf hinaus, dass unser System grundlegend kaputt ist. In dem Fall würde eine andere Regierung auch nichts ändern (und die Erfahrung sagt, dass dem so ist) und das Volk ist längst zum Sklaven der Medien geworden. Wenn man etwas grundlegend ändern möchte, muss man also das System verändern oder gleich zerstören. Mit anderen Worten: Die Systemfrage stellen! Tatsächlich halte ich sie für lange überfällig. Die Reichsten der Reichen werden immer reicher, zugleich können immer mehr Menschen von ihrer Arbeit unter unwürdigsten Bedingungen nicht mehr leben! Die öffentliche Infrastruktur zerfällt, zugleich werden Billionen in den Rachen der Finanzgeier geworfen. Der Staat ist ein Selbstbedienungsladen für wenige geworden, eine gigantische Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Die Antwort auf die Systemfrage kann ja durchaus "Demokratie und Soziale Marktwirtschaft" lauten, würde ich zumindest sehr begrüßen.
Stimme dir zwar zu, aber Soziale Marktwirtschaft wird ganz sicher nicht die richtige Anwort sein.
Um mal kurz vom Thema abzuweichen:
Ich bin heute auf eine Maschine namens "Tiger Stone" gestoßen (YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=jkVBg_-OviI). Diese Maschine kann Pflasterbelag für Straßen vollautomatisch legen (Prinzip: Steine oben reinwerfen, Plasterstraße kommt unten raus). Der wissenschaftlich-technische Fortschritt hat es uns also ermöglicht, die anstrengende körperliche Arbeit des Pflasterns den Maschinen zu überlassen. Auch in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft nimmt die Automatisierung der Produktion durch Computer, Maschinen und Roboter immer weiter zu (Traktoren und Mähdrescher fahren mittlerweile GPS-gesteuert, inkl. der Wendemanöver am Ende des Ackers. Der Maschinist sitzt dabei die ganze Zeit in seiner klimatisierten Fahrerkabine und liest (Bild-) Zeitung). In deutschen Krankenhäusern werden schon erste Roboter getestet, die selbständig Krankenakten in den Keller bringen können, und dabei auch den Fahrstuhl benutzen.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Menschen immer weniger arbeiten müssten. Stattdessen werden die "Wegrationalisierten" auf die Straße gesetzt, mit Hartz-IV-Almosen versorgt und 24/7 in den Medien daran erinnert, dass sie nur faule Sozialschmarozer seien. Die Menschen, die noch eine Arbeit haben, dürfen 40+ Stunden die Woche malochen: Niedriglohnsklaven, Aufstocker, Leiharbeiter, Praktikanten, Azubis, Reichsarbeitsdienst ("1-Euro-Jobs") – und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es unter uns Ingenieuren auch nicht besser aussieht (Überstunden, Schichtarbeit, Montage, Zeitverträge, Niedriglohn, Burnout). Wozu das alles? Für den Standortvorteil! Damit wir in der internationalen Konkurrenz bestehen können. Damit unsere vom Export abhängige Wirtschaft nicht gleich nächste Woche zusammenbricht, sondern erst nächstes Jahr. Damit es den Menschen in Griechenland, Italien, Spanien und anderswo auf der Welt noch schlechter geht als uns, weil ihre Schulden "unsere" Gewinne sind.
Um den Bogen wieder zu spannen:
Die Systemfrage zu stellen wird immer dringender, weil die Verhältnisse kaum noch auszuhalten sind. Es fragt sich nur, ob die Menschen noch zu der Erkenntnis kommen, dass der alte Menschheitstraum von einem guten Leben ohne Mühe und Plackerei längst Wirklichkeit sein könnte.