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Azazyel:
Als Softwareentwickler kann ich dir in so vielen Punkten zustimmen, was alte Software, etc. betrifft. Nur eines habe ich gelernt. Man neigt als Programmierer dann ziemlich bald mal die Dinge auf Grund der Erfahrungen, die man gemacht hat zu pessimistisch einzuschätzen.
Wenn du mit dem Beispiel von so einer Software kommst und die gibt es ja in etlichen Unternehmen, dann willst/musst du das Problem ohnehin gezielt angehen. Und wenn man da die fertige Lösung sieht, weil sie als solche angepriesen wird überseht man irrsinnig leicht, dass es ein Bruchteil der Maintenance/Kosten/... verursachen würde wenn man sich erlaubt hätte sich schnell mal 20 Minuten dran zusetzen man dem Ansatz das anständig zu machen.
Ich halte das mittlerweile für einen psychologischen Effekt, den man als Programmierer oder vielleicht als ITler leicht mal bekommt. Man will das Problem einfach irgendwie fertig gelöst haben, weil man mitunter weiß was die Kosten sein können. Deshalb geht man dann auf alles mögliche ein was nach eine "eins für alle mal" Lösung und nach schön klingt. Es tut aber echt weh, wenn man sich nach monatelangem "naja, eigentlich ist das doch nicht so gut und es gibt dieses eine Problem, wo wir doch noch Hand anlegen müssen, aber das kann man fixen und dann müsste es ja.." einfach mal den guten alten Weg geht und sich da seine eigene Lösung zusammenbraut, die dann anständig funktioniert.
Sieh's mal anders. Mit systemd kippst du das bewährte System über den Haufen, hast wieder deine Migrations, Integrationstests und es klingt so als würde da noch mehr dazukommen, Sachen, die du womöglich garnicht willst oder brauchst und wenn du wirklich mal über was stolperst, was nicht (deklarativ) abgedeckt ist musst du einen Bugreport machen, vielleicht einen Patch schreiben, der vielleicht Maintenenance braucht, weil in niemand integriert. Das Problem ist dann, dass wenn du dein altes Teil hast, du das nicht mehr einfach mit dem uralten, simplen RC-Skript verwalten kannst, wie immer sondern dann upgraden darfst, weil systemd anders ist, weil es am anderen Ende der Leitung, die dich eigentlich nicht interessiert etwas anders macht, aber dadurch, dass es mit dem restlichen OS zusammenhängt komplett unbeteiligte Systeme auf einmal Auswirkungen haben.
Ob du da deinen wichtigen Daemon jetzt im RC-Stil oder mit systemd verwaltest macht da wohl den kleineren Unterschied und wahrscheinlich würde es niemanden interessieren, wenn das jemand anders machen würde.
Aber systemd will ja unbedingt alles sein, ein Teil des Kernels, dein Cron, dein Logging und was sonst noch alles als ungenutzte Linuxfeatures verstanden wird. Wenn das alles ein Klumpen ist, dann überlege dir mal als Softwareentwickler ob du akzeptieren könntest. Klar, wenn die Entscheidung ist irgendein System von dem du oder deine Firma anhängig ist ist das eine Sache, aber wenn du die Wahl hast dein erprobtes RC-Skript zu verwenden oder dich auf die systemd-Reise begibst wo noch schwer abzuschätzen ist wo sie hin geht und wo die Antwort des Programmierers "
it will surely be fixed when we know what's the right fix" ist, würdest du dann nicht enorme Bedenken haben? Linus hat hier vielleicht nicht den besten Ruf, aber zumindest ich kann's verstehen. Ich fänd's echt tragisch von so einem System den Erfolg und/oder weiteren Wohlergehen eines Unternehmens abhängig zu machen und nachdem systemd scheinbar wirklich alles tun will tut es das. Das kann zumindest viel Zeit und Geld kosten.
Wie sich das entwickelt wird sich noch zeigen, aber die Sache mit meinen auf und abs mit Pulseaudio gibt bei mir jetzt kein Übermaß an die Fähigkeiten der Entwickler, auch wenn sie sicherlich was drauf haben.
Giant Lock mit RC/systemd zu vergleichen halte ich für weit hergeholt. Das klingt ein wenig nach "warum sollten wir noch Tastatur und Maus verwenden? Wir haben Touchscreens und Gästensteuerung". Rc-Scripts bringen mit auf meinem sonst superaktuellen System keinen Nachteil und systemd, keinen Vorteil. Merke nur, dass es komplexer geworden ist, ich mich durch side effects kämpfe, etc. Wird nach einem Jahr oder so mit viel gutem Willen und dem hartnäckigen Versuch was wirklich positives draus zu ziehen (hatte gehofft mit Erfahrung, längerer Nutzung käme das, nachdem das die Linuxwelt so hyped) demnächst iweder rausfliegen.