Unsterblichkeit?

Würdest du die Pille nehmen?

  • Ja

    Stimmen: 22 47,8%
  • Nein

    Stimmen: 24 52,2%

  • Umfrageteilnehmer
    46

Athaba

Libellenliebhaber
Hallo,

mal eine etwas philosophischer Umfrage, als sonst:

Nehmen wir an, vor dir würde eine Pille liegen, die dich unsterblich macht.
Würdest du sie nehmen?


PS: In diesem Forum gibt 22.331 Beiträge und nur ein Einziger das Wort unsterblich und kein einziger das Wort Unsterblichkeit.

EDIT: Weil solche Fragen immer wieder auftauchen:
Es geht um Unsterblichkeit: Das heißt KEIN Suizid o.ä.
Es gibt KEINE Mach-mich-sterblich-Pille.
Ihr fühlt alles, seid also trotzdem körperlich und physisch verletzbar. Ja, das Ganze klingt jetzt blöd, aber die Frage ist eindeutig philosophisch zu sehen. D.h. ihr könnte eure könnte eure Körper verstümmeln und sagen wir halt mal, dass die lebensnotwendigen Organe auf ewig miteinander verbunden und meinetwegen unverwundbar sind. Dementsprechend wäre Einsperren und Folter möglich.
Ihr altert auch - d.h. ihr werdet erwachen und grundsätzlich älter, aber jetzt nicht so, dass ihr im Bett liegen müsst oder gar verwest. Also, so maximal so, wie ein fitter 60-Jähriger, je nachdem, was man für seinen Körper/seine Gesundheit tut.

Ihr müsst auch essen und trinken um nicht zu hungern/zu dursten, etc. Nur sterben tut ihr deshalb nicht.
Ihr seid nicht Gott und habt keine "Superkräfte".

Ihr würdet auch nie Wissen, was nach dem (bzw. beim) Tod ist, es sei den es kommt zum jüngsten Gericht und Gott holt euch (je nachdem, an was ihr glaubt).

WICHTIG: Alle Anderen sterben trotzdem!

Außerdem ist sie nicht übertragbar und hält nur kurze Zeit (ergo: Ihr könnt kein WIssenschaftsteam anheuren, etc.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja.

Gefangen im werden. Sozusagen des Menschen einziger Bezwinger. Es geht weniger um Leben als um nicht sterben. Nicht um die materielle Inkarnation des Ichs als das Ich selbst.

Ein alter Traum der Menscheit, Wunschdenken implementiert in etlichen Religionen.

Es wäre Die Erhebung über die Natur. Man entkommt dem Gesamten, dem man untergeordnet ist; - Und steht gleichauf. Die ultimative Emanzipation.
 
soul_rebel: Ah, einer der sich mit dem Thema auskennt? *g*

Die einzige Nebenwirkung der Pille ist, dass man eben nicht stirbt und bitte beginnt jetzt nicht mit auseinandernehmen bis auf die Moleküle, was wohl wirklich schmerzhaft wäre :D

@FreeBSDuser: Wärst du dann nicht der Unsterblichkeit/dem Leben untergeordnet? DU hättest keine Chance mehr Bekanntschaft mit dem Tod zu machen.
 
Vorausgesetzt mit unsterblich ist lediglich die Sterblichkeit durch altern gemeint, auf jeden Fall. Es wäre auch toll schwerer zu Töten zu sein. Aber einen Ausweg sollte es schon trotzdem noch geben.
 
bleibst du im "aktuellen" Alter?
wenn ja: ja
wenn nein: nein.

Wenn ich mir vorstelle, was man alles als 21 jähriger machen könnte ;)
 
Nehmen wir an, vor dir würde eine Pille liegen, die dich unsterblich macht.
Würdest du sie nehmen?

Könnte ich zuerst den Beipackzettel lesen?
Und kriege ich dann bitte auch noch eine Pille dazu
mit der ich fliegen kann? :ugly:

Aber vermutlich könnte ich nicht wiederstehen,
die Möglichkeiten, die sich mit Unsterblichkeit ergeben würden
wären doch einfach zu verlockend,
stellt euch nur mal vor, diese bislang völlig theoretische
Streitfrage, ob eine verschlüsselte Festplatte noch vor dem
verglühen unserer Sonne zu knacken wäre,
das wäre dann beobachtbar !11

Bei dem derzeitigen galoppierendem Überwachungswahn würden sich
bestimmt auch sofort genug Probanden freiwillig
melden, die ihr ganzes Leben dem knacken wildfremder
verschlüsselter Festplatten widmen und denen kann
man dann in Ruhe dabei zugucken, wie die alt und senil werden. :D
Ich will doch sehr hoffen, das Athaba denen seine Pillen nicht gibt,
weil sonst müsste man dann womöglich "Highländer" spielen.
*Soundtrack such*
http://de.wikipedia.org/wiki/Highlander_–_Es_kann_nur_einen_geben
Juchu, ich glaube,
"Who Wants to Live Forever"
hab ich irgendwo im Regal:
http://de.wikipedia.org/wiki/A_Kind_of_Magic
 
Auf gar keinen Fall.
Das Leben ist schon so ganz geil, wies ist. Was mir Spass am Leben macht ist Veränderung und nicht Stagnation.
 
Nein!!!

Was wäre, wenn man Invalide würde? Geistige Demenz? Bis in alle Ewigkeit!!! Kein Entrinnen durch Suizid --> unsterblich... AAAAAAARRRRRRRRRRRRRRRRGGGGGGGGGGGGHHHHHHHHHH

Nichtsdestotrotz: Gute Frage von juan_ Würde man in dem Alter stecken bleiben? Auch nur auf den ersten Blick verlockend....

Immer noch 'Nein!'


Viele Grüße
swaf
 
Wenn die Unsterblichkeit keine Ausnahme wäre, würde die Entwicklung des Menschen eingefrohren. Die Evolution funktioniert nur mit vielen Generationen, und das was sich heute als Mensch bezeichnet ist naja... alles andere als die Krone des komplexen Lebens. Deswegen auch "Gefangen im Werden" - Der Einzelne ist unvermeidlich zum sterben verurteilt. Davon mag man halten was man möchte, aber dies ist die klare Grenze der Selbsterkenntnis und des souveränen Handelns des Menschen. Die Selbsterkenntnis macht den Unterschied, ohne die ist das Wesen ja durch ein neues ersetzbar und das "Problem" des Sterbens besteht nicht.

Ich sehe die Unsterblichkeit mal als nicht-Altern, ohne jegliche Kompromisse.
 
Vorausgesetzt mit unsterblich ist lediglich die Sterblichkeit durch altern gemeint, auf jeden Fall. Es wäre auch toll schwerer zu Töten zu sein. Aber einen Ausweg sollte es schon trotzdem noch geben.

Jo, Bewußtsein abspeichern und bei Bedarf - wenn was spannendes passiert:D - in 'nen neuen Körper laden. Vorbild: Cory Doctorows "Backup" (blöde Story, aber gute Grundidee) und Richard Morgans "Altered Carbon" (seeeeeehr geil:cool:!).


... da wär' ich wohl dabei:D
 
Sehr schwierige Frage – Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, wahrscheinlich erfolglos.

Also zunächst einmal stellt sich die Frage, ob die Pille wirklich absolut unsterblich macht, oder lediglich den Alterungsprozess unterbricht, und/oder Krankheiten verhindert.

Sollte Sterben, so man es dann eben doch einmal wollen sollte, möglich sein, tendiere ich vielleicht zu ja, andernfalls wohl eher zu Nein.

Warum im letzteren Falle Nein? Da gibt es verschiedene Gründe:

Nun, ich bin gebildet genug, um schonmal etwas vom Induktionsproblem gehört zu haben (genauer: Im Rahmen eines Seminars zur Wissenschaftsphilosophie auch darüber – speziell Carnap und logische Wahrscheinlichkeit – referiert zu haben. Auch wenn ich einige Details vergessen habe, sind mir die grundlegenden Probleme im Gedächtnis geblieben.). Außerdem ist mir, spätestens seitdem ich etwas Popper gelesen habe, bewusst, dass empirische Erkenntnisse nie verifizierbar sind, sondern lediglich falsifizierbar. Kurz: Die vermeintliche Wahrheit, welche viele in empirischen Erkenntnissen sehen wollen ist lediglich eine Form von Glauben. Ich jedoch will wissen, nicht glauben. Das heißt nicht, dass ich empirische Erkenntnis von vorneherein als unwichtig erachte, aber ich bin mir der mit ihr verbundenen Problematik bewusst. Allein, bei vielen Menschen habe ich den Eindruck, dass die Wissenschaft der neue Glaube, die Wissenschaftler die neuen Priester sind.

In der Konsequenz kann ich also nicht ausschließen, dass es nach dem Tode in irgendeiner Form mit mir weitergehen wird. Sicher ist nichts, ich glaube an nichts; Was religiöse Fragen (und auch einige andere) angeht , so betrachte ich mich als Agnostiker. Zwar bin ich kein überzeugter Monist, doch Descartes Traumargument ist für mich auch heute noch aktuell. Letztlich sicher ist mir nur meine eigene Existenz, als denkendes Wesen.

Wenn ich also nicht wissen kann, ob der Tod für mich etwas Gutes, oder etwas schlechtes ist, besteht eindeutig die Gefahr, dass ewiges Leben eine Dummheit sein könnte (welche in eine Sackgasse führt), erstrebt durch den Teil in mir, der in der materiellen Welt verhaftet ist.

Halten wirs klassisch: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Davon einmal abgesehen, tun sich mir da noch weitere Probleme auf:

Der Tod gehört, zumindest bisher, zum menschlichen Dasein und es stellt sich die Frage, in wie weit der Mensch an sich überhaupt zum ewigen Leben geeignet ist. Frei nach Heidegger: Werde ich überhaupt noch zu etwas motiviert sein, wenn ich unendlich viel Zeit zur Verfügung habe? Was bringt mich dazu, Heute etwas zu machen, wenn es auch in 10000 Jahren ein Morgen gibt? Kann es nicht auch so sein, dass das Bewusstsein der eigenen weltlichen Vergänglichkeit einen Antrieb darstellt, die gegebene Zeit wenigstens bestmöglich zu nutzen? Nur mal so als Denkanstoß. Was macht ihr nach 10 Millionen Jahren, die von weiteren Myriaden gefolgt werden?

Ich enthalte mich mal der Umfrage.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr schwierige Frage – Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, wahrscheinlich erfolglos. [...]

Außerdem ist mir, spätestens seitdem ich etwas Popper gelesen habe, bewusst, dass empirische Erkenntnisse nie verifizierbar sind, sondern lediglich falsifizierbar. Kurz: Die vermeintliche Wahrheit, welche viele in empirischen Erkenntnissen sehen wollen ist lediglich eine Form von Glauben.

... aber nur, wenn man philosophische Haarspalterei betreibt. Mir persönlich reicht's, wenn's funktioniert, logisch nachvollziehbar ist und eine empirische Erkenntnis zu 95 oder 99 Prozent zutrifft. Schließlich gibts zwischen "aufgrund empirischer Erkenntnisse zu 99 Prozent sicher" und "trotz vieler Versuche konnte bislang keine empirische Erkenntniss gewonnen werden, daher zu 99 Prozent Humbug" einen nicht ganz unerheblichen Unterschied:D.

Allein, bei vielen Menschen habe ich den Eindruck, dass die Wissenschaft der neue Glaube, die Wissenschaftler die neuen Priester sind.

Echt:eek:? Da kann man mal sehen, wie unterschiedlich man das wahrnehmen kann: Ich hab' nämlich den Eindruck in einem extrem wissenschaftsfeindlichen Land zu leben. Und wenn ich mir dieses höchst obskure Religionsrevival um Herrn Ratzinger aka B16 so ansehe und mitbekomme, dass es hier in Deutschland (!) im Jahre 2009 (!) tatsächlich Menschen gibt, die eisenzeitliche Schöpfungsmythen im Biologieunterricht lehren wollen, dann hab' ich eher den Eindruck, dass die Wissenschaft hier bei uns einen schweren Stand hat (und ich persönlich kann nur "leider" hinzufügen).

In der Konsequenz kann ich also nicht ausschließen, dass es nach dem Tode in irgendeiner Form mit mir weitergehen wird.

Ausschließen kann man nix - aber es ist höchst unwahrscheinlich.

[...] es stellt sich die Frage, in wie weit der Mensch an sich überhaupt zum ewigen Leben geeignet ist. [...] Kann es nicht auch so sein, dass das Bewusstsein der eigenen weltlichen Vergänglichkeit einen Antrieb darstellt, die gegebene Zeit wenigstens bestmöglich zu nutzen?

Das Bewußstsein der eigenen Vergänglichkeit hindert die allermeisten Menschen nicht daran, ihr kurzes Leben zwischen RTL-Telenovelas, hirnlosen Jobs und Ballermann-Urlauben zu verplempern (ok, die Wertung ist 'n bissl arrogant - "bestmöglich" kann aber vieles heißen). Insofern lautet die Antwort auf Deine Frage: In den allermeisten Fällen "Nö!" - QED;)!

Außerdem - nehmen wir nur mal für dreieinhalb Sekunden an, die putzige Mär vom güldenen Jenseits der Bibel (oder des Koran oder whatever) würde stimmen: Wir hätten das gleiche Problem:eek:! Auch dort würde eine irgendwie mit Sinn (oder Unsinn:p) zu füllende Ewigkeit warten. Komischerweise hebt bei diesem Gedanken niemand bedeutungsschwanger den Finger und fragt, ob der mensch denn dafür geeignet ist:rolleyes:.

Und letztlich könnte man Dein Argument ja auch umdrehen: Wäre man (zumindest relativ) unsterblich, wie viele verschiedene Leben könnte man an den unterschiedlichsten Orten leben? Was könnte man alles lernen? Welche neuen Erkenntnisse würde man gewinnen, weil das Wissen einer Person nicht schon nach ein paar Jahrzehnten für immer verschwinden würde? etc. etc. etc.

Ich persönlich denke, da würden sich Möglichkeiten auftun, von denen heute niemand träumt - natürlich nicht nur positiv, aber that's live;).

Zuguterletzt: Ich will Dir Deine Meinung nicht mies machen und Dich auch nicht angreifen. Mir ging es nur darum, kurz zu zeigen, dass man bei philosophischen Fragen nicht automatisch in german Kulturpessimismus verfallen und alles schlimm finden muss:).
 
... aber nur, wenn man philosophische Haarspalterei betreibt. Mir persönlich reicht's, wenn's funktioniert, logisch nachvollziehbar ist und eine empirische Erkenntnis zu 95 oder 99 Prozent zutrifft. Schließlich gibts zwischen "aufgrund empirischer Erkenntnisse zu 99 Prozent sicher" und "trotz vieler Versuche konnte bislang keine empirische Erkenntniss gewonnen werden, daher zu 99 Prozent Humbug" einen nicht ganz unerheblichen Unterschied:D.

So 99 Prozent sicher, wie es im Mittelalter bewiesen war, dass die Erde eine Scheibe war? Oder eher so 99% sicher, wie es bewiesen war, dass Spinat sehr viel Eisen enthält? Oder die Art 99%, die uns bis vor kurzem verklickerte, dass man von zu viel Koffein Herz-/Kreislaufprobleme bekommt?

Empirische Erkenntnis, die ich – wie gesagt – nicht als unnütz bezeichne, unterliegt einem ständigen Wandel und ist nicht zuletzt von kulturellen Gegenbenheiten geprägt, von grundlegenden "philosophischen Haarspaltereien" (Induktionsproblem) mal ganz abgesehen. Empirie unterliegt mehreren Problemen, die ich hier nicht alle einzeln auflisten will, dazu gibt es bereits genug Lektüre und auch führende Wissenschaftler tun, und taten, das Induktionsproblem nicht einfach als Haarspalterei ab.

Aber mal eine kleine Geschichte zum auflockern:

Es war einmal ein Truthahn, nennen wir ihn ... Huth. Da Huth ein ziemlich aufgeweckter Vertreter seiner Spezies war, verstand er, dass er aus der Beobachtung seiner Umgebung Schlüsse auf allgemeingültige Gesetze ziehen konnte. Pünklich morgens um sieben bekam Huth sein Futter – Dieses Muster entging ihm nicht und er begann, die Hypothese aufzustellen, dass es ein Naturgesetz sei, dass er jeden Morgen um sieben seine Mahlzeit aufgetischt bekommt. Da Huth sich der Probleme der Wahrheitsfindung durchaus bewusst war, begann er, seine Hyphothese unter verschiedenen Bedingungen zu testen: Er testete die Theorie in verschiedenen Settings: Mal versteckte er sich, mal krähte er, mal krähte er nicht, einmal flüchtete er am Vorabend zum benachbarten Hof, nur um jedes Mal wieder ausreichend Futter vorzufinden. Kurz: Alle Faktoren, die er beeinflussen konnte, beeinflusste er und bemerkte, dass das Gesetz seine Gültigkeit behielt.

So lebte Huth dann glücklich und zufrieden, wissend, dass es empirisch erwiesen war, dass er sich für den Rest seines Lebens keine Sorgen um sein allmorgendliches Futter machen musste.

Dann kam Thanks-Giving ...

Zum Thema "trotz vieler Versuche": Die Untersuchung eines Sachverhaltes durch empirische Methoden setzt neben einem bereits vorhandenem Wissen, oder Vermutungen, die wiederum vom Vorwissen oder kulturellen Einflüssen beeinflusst sind, auch das Vorhandensein entsprechender Mittel zur Beobachtung und zum Ausschluss möglicher Störfaktoren ein. Allein, wer und was bestimmt, was einflussnehmende Faktoren sind? Richtig, der wissenschaftliche Zeitgeist, bestehende Annahmen und Theorien und der gesamte wissenschaftkulturelle Rahmen. Nicht zuletzt deswegen ist die Wahrheit (die angenommene, durch Empirie bestimmte) von Heute der Aberglaube (oder besser: veraltetes, auf veralteter Methodik, oder widerlegten Annahmen basierendes Wissen) von Morgen.

Wahrheit ist Wahrheit – Wahrscheinlichkeit und Annahmen aufgrund erkannter Muster ist nicht damit gleichzusetzen.

Echt:eek:? Da kann man mal sehen, wie unterschiedlich man das wahrnehmen kann: Ich hab' nämlich den Eindruck in einem extrem wissenschaftsfeindlichen Land zu leben. Und wenn ich mir dieses höchst obskure Religionsrevival um Herrn Ratzinger aka B16 so ansehe und mitbekomme, dass es hier in Deutschland (!) im Jahre 2009 (!) tatsächlich Menschen gibt, die eisenzeitliche Schöpfungsmythen im Biologieunterricht lehren wollen, dann hab' ich eher den Eindruck, dass die Wissenschaft hier bei uns einen schweren Stand hat (und ich persönlich kann nur "leider" hinzufügen).

Hm, ja ich muss Dir ein Stück weit recht geben. Aber ich habe dennoch den Eindruck, dass Sprüche wie "wissenschaftlich bewiesen" öfter zu hören sind, als die Forderung nach mythologischem Biologieunterricht. Und ja: ich habe durchaus den Eindruck, dass das eine gewisse Form von Glauben ist.

Konkret: Biologie ist eine empirische Wissenschaft. Egal, was ich vom Wahrheitsgewinn der Empirie halte – In einem empirischen Fach hat Mythologie nichts, aber auch gar nichts, verloren.

Was mich persönlich angeht: Ich glaube genausowenig an irgendeine Religion, wie ich an Empirie glaube. Beides ist Glaube, nicht Wahrheit. Ich kenne nur das Auge, das den Tisch sieht und die Hand, die den Tisch fühlt – Den Tisch an sich zu erkennen ist mir nicht möglich. Und wenn mir mein Auge 10000x sagt, dass der Tisch so ist, wie ich ihn wahrnehme ... Wissenschaftliche Messgeräte beispielsweise sind auch nur eine "Verlängerung" meiner Sinne und Sinne trügen.

Ausschließen kann man nix - aber es ist höchst unwahrscheinlich.

Wahrscheinlichkeit hilft beim erkennen der Wahrheit nicht unbedingt weiter, denn auch wenn sie weniger wahrscheinlich ist, macht sie das nicht weniger wahr.

Das Bewußstsein der eigenen Vergänglichkeit hindert die allermeisten Menschen nicht daran, ihr kurzes Leben zwischen RTL-Telenovelas, hirnlosen Jobs und Ballermann-Urlauben zu verplempern (ok, die Wertung ist 'n bissl arrogant - "bestmöglich" kann aber vieles heißen). Insofern lautet die Antwort auf Deine Frage: In den allermeisten Fällen "Nö!" - QED;)!

Naja, ich mach mirs da ein wenig einfach, meine Überheblichkeit machts möglich: Für mich gibts die Vielen und die Wenigen. Die Vielen sind in der Regel Deppen. Und wer will schon unsterbliche Deppen haben? ;)

Außerdem - nehmen wir nur mal für dreieinhalb Sekunden an, die putzige Mär vom güldenen Jenseits der Bibel (oder des Koran oder whatever) würde stimmen: Wir hätten das gleiche Problem:eek:! Auch dort würde eine irgendwie mit Sinn (oder Unsinn:p) zu füllende Ewigkeit warten. Komischerweise hebt bei diesem Gedanken niemand bedeutungsschwanger den Finger und fragt, ob der mensch denn dafür geeignet ist:rolleyes:.

Nochmal: Ich glaube nicht an sowas, mir ist auch klar, dass anthroprozentrische Weltsichten und Religionen wohl eher Wunschdenken/Projektion, als sonstwas sind. Aber ich weiss es nunmal nicht. Zu deiner Aussage kann ich insofern nichts sagen, als dass ich über eine solche angenommene jenseitige Welt als Mensch, der nunmal in der materiellen Welt lebt überhaupt keine Aussage treffen kann. Woher soll ich wissen, was in solch einem "Himmel" abgeht, und über was ich mir da Gedanken machen werde, und über was nicht? Vielleicht seh ich ja den Sinn dann ganz klar? Vielleicht juckts mich auch einfach nicht mehr? Keine Ahnung ...

Und letztlich könnte man Dein Argument ja auch umdrehen: Wäre man (zumindest relativ) unsterblich, wie viele verschiedene Leben könnte man an den unterschiedlichsten Orten leben? Was könnte man alles lernen? Welche neuen Erkenntnisse würde man gewinnen, weil das Wissen einer Person nicht schon nach ein paar Jahrzehnten für immer verschwinden würde? etc. etc. etc.

Ich persönlich denke, da würden sich Möglichkeiten auftun, von denen heute niemand träumt - natürlich nicht nur positiv, aber that's live;).

Ja, da gebe ich dir Recht. Es wäre mit Sicherheit interessant und es würden sich völlig neue Möglichkeiten auftun. Genau deshalb habe ich mich auch enthalten. Es hat mit Sicherheit seinen Reiz: Gerade ich mach mir immer Gedanken darüber, dass es so viel zu lernen und zu sehen gibt, für das mir die Zeit leider fehlt. Ich verstehe anerkenne Dein Argument.

Nur, wie es andere hier schon gesagt haben: Ewig ist verdammt lange.

Zuguterletzt: Ich will Dir Deine Meinung nicht mies machen und Dich auch nicht angreifen. Mir ging es nur darum, kurz zu zeigen, dass man bei philosophischen Fragen nicht automatisch in german Kulturpessimismus verfallen und alles schlimm finden muss:).

Angegriffen fühle ich mich von Dir nicht, ich diskutiere gern und du bist ja in keinster Weise beleidigend oder unfreundlich. Auch angreifen könntest Du meine Position von mir aus gern, aber den Eindruck, ein "Kulturpessimist" zu sein, habe ich persönlich von mir nicht. Ich bin einfach ein extrem Skeptischer Mensch, der sich genau fragt, was Wissen und Wahrheit sind und auch, was ich erkennen kann und was nicht.

Ich lasse jedem Empiristen seine Meinung und seinen ... Glauben, aber für mich persönlich ist klar, dass Wahrheit etwas anderes ist. Vielleicht hab ich einfach zu Viel Platon gelesen, aber für mich ist Wahrheit und das Schöne eine Idee, ewig – keine "Wahrscheinlichkeit", keine dem Zeitgeist der Wissenschaften unterliegende, zur Verhandlung stehende, aus Modellen aufgebaute Welt des sinnlichen Erkennens. Ideale haben aber nunmal an sich, dass sie transzendent sind und in der Welt, in der wir leben, nicht anzutreffen sind.

Ein Stück weit beneide ich die "praktisch" veranlagten Leute, in vielerlei Hinsicht haben sie es einfach.

Wer wissen will, muss leiden. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde gerne Zivilisationen enstehen und vergehen sehen, warum sie das tuen. Ich würde gerne die chance haben nach meinem Leben mit der Erfahrung neu anfangen zu können.

Der Overhead an Fehlern die gemacht werden, Erfahrungen die gesammelt werden, in jedem Leben der einzelnen Menschen neu.

Man muss zugeben, die Zeit die ein durchschnittlicher Mensch lebend auf der Erde verbringt ist aus heutiger Sicht zu kurz. Ein Mensch wird niemals einen angemessenen Wissensstand erreichen (gemessen am vorhandenen Wissen). Ein Mensch verbraucht doch heute seine ersten 25 Lebensjahre damit ausgebildet zu werden (Ausgehend von einem anstrebenswerten Lebensweg). Vor 3k Jahren war man mit 25 schon dem Ende näher als dem Anfang. Die biologische, soziale, mentale und technologische Entwicklung geschieht nicht synchron. Das was wir leisten und das was wir sind steht in keinem Verhältnis mehr. Die Selbsterhaltung ist nur noch Mittel zum Zweck. Wir haben uns erfolgreich vom Tier sein abstrahiert. - Nur das Wofür muss noch geklärt werden.

Es kommt Alles auf die Frage zurück "warum, wofür?" - All die Variablen in der Gleichung, ordnen sich dem unter. Aber genau darauf haben wir keine Antwort.

Die Frage ob etwas für einen bestimmten Zweck geschaffen wurde erübrigt sich sobald das geschaffene Objekt sich seiner selbst bewusst ist, dann muss es die obrige Frage für sich selbst beantworten. Jede vorgegebene Antwort ist nicht mehr Wert als die eigene.
 
gut, um die Frage besser verständlich zu machen habe ich das ganze aufgemöbelt. Kurzum seid ihr keine Götter.

Als Anhänger des Empirismus frage ich mich, ob ich die Erfahrung des Todes wirklich missen will. Das heißt es gilt das mit zukünftigen Erfahrung abzuwiegen. Auch weiß ich nicht, ob es so toll ist totalitäre Staaten miterleben zu müssen und wenn ich was dagegen tue sogar mit Folter rechen zu müssen. Ich selbst tendiere also eher dazu die Pille nicht zu schlucken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn die Unsterblichkeit keine Ausnahme wäre, würde die Entwicklung des Menschen eingefrohren. Die Evolution funktioniert nur mit vielen Generationen, und das was sich heute als Mensch bezeichnet ist naja... alles andere als die Krone des komplexen Lebens.
Meine Frage gilt nicht für alle Menschen, sondern nur einen einzigen (bzw. einige wenige, die ihr euch nicht aussuchen könnt - d. h. ihr wisst nicht, ob ihr alleine seid).

Desweiteren würde ich das Problem mit der Evolution gar nicht so schlimm sehen. Das würde vielleicht viel Rassismus zerstören und rein vom Wissen her ist der Mensch ohnehin zu viel mehr fähig, als er je erreicht. Den Rest macht der Computer *g*
 
Hi, das macht Spaß:D!

So 99 Prozent sicher, wie es im Mittelalter bewiesen war, dass die Erde eine Scheibe war? Oder eher so 99% sicher, wie es bewiesen war, dass Spinat sehr viel Eisen enthält? Oder die Art 99%, die uns bis vor kurzem verklickerte, dass man von zu viel Koffein Herz-/Kreislaufprobleme bekommt?

Pardon, aber im Mittelalter war sehr wohl bekannt, dass die Welt keine Scheibe ist (übrigens auch in der Antike schon).

Und die beiden anderen Aussagen - hmmm - sind das nicht eher Erfindungen bzw. "freie" Interpretationen durch die Werbeindustrie *grübel*?!

Empirische Erkenntnis, die ich – wie gesagt – nicht als unnütz bezeichne, unterliegt einem ständigen Wandel und ist nicht zuletzt von kulturellen Gegenbenheiten geprägt, von grundlegenden "philosophischen Haarspaltereien" (Induktionsproblem) mal ganz abgesehen.

D'Accord:)! Und der Wandel rührt daher, dass "Erkenntnisse" gewonnen werden, die solange Gültigkeit haben, bis sie falsifiziert werden können. Der Wandel ist also inhärent.

Stimme dir völlig zu. Ist aber auch ein Vermittlungsproblem (vor allem in den Schulen!).

[...] So lebte Huth dann glücklich und zufrieden, wissend, dass es empirisch erwiesen war, dass er sich für den Rest seines Lebens keine Sorgen um sein allmorgendliches Futter machen musste.

Dann kam Thanks-Giving ...

Stimmt doch - "für den Rest seines Lebens":D

[...] Allein, wer und was bestimmt, was einflussnehmende Faktoren sind? Richtig, der wissenschaftliche Zeitgeist, bestehende Annahmen und Theorien und der gesamte wissenschaftkulturelle Rahmen. Nicht zuletzt deswegen ist die Wahrheit (die angenommene, durch Empirie bestimmte) von Heute der Aberglaube (oder besser: veraltetes, auf veralteter Methodik, oder widerlegten Annahmen basierendes Wissen) von Morgen.

Wahrheit ist Wahrheit – Wahrscheinlichkeit und Annahmen aufgrund erkannter Muster ist nicht damit gleichzusetzen.

Bei "Aberglaube" würde ich widersprechen. Denn Aberglaube basiert nicht auf dem Versuch, im Rahmen gegebener Möglichkeiten, die Realität nachvollziehbar und im Idealfall auch reproduzierbar zu erfassen. Aberglauben basiert auf irrationalen, meist mystisch-esoterischen Annahmen, die - und hier liegt der Hase im Pfeffer - erst gar nicht hinterfragt werden.

Ansonsten - ja, Wahrheit ist Wahrheit ist Wahrheit, das stimmt. Aber was nützt mir dieses absolute Konzept, wenn es so erreichbar ist wie die Lichtgeschwindigkeit? Doch bestenfalls als ein Ideal, von dem ich aber weiß, dass ich es eh nie erreiche. Man kann (und sollte!) es anstreben. Aber wenn ein wissenschaftlicher Erklärungsansatz Ergebnisse liefert, mit denen man arbeiten kann, die "funktionieren" und die völlig ohne esoterische "Notlösung" auskommen, dann ist das doch schon was. Auch, wenn der Erklärungsansatz schon morgen durch neue Erkenntnisse zum Teil über den Haufen geworfen werden kann. Das gehört halt zum ständigen Dazu-Lernen.

Zumal uns keine bessere Alternative bleibt (mir fällt zumindest keine ein:rolleyes:).

Was mich persönlich angeht: Ich glaube genausowenig an irgendeine Religion, wie ich an Empirie glaube. Beides ist Glaube, nicht Wahrheit.

Hmmm, ich "glaub'" der Vatikan ist da anderer Meinung;).

Empirie verlangt ja auch nicht, dass man an sie glaubt - anders als die Religion. Im Gegenteil: An Empirie zu glauben wäre fatal. Denn sie lebt ja letztlich davon, die Dinge zu hinterfragen und auf immer neue Arten zu untersuchen. "Glaube" ist das Gegenkonzept: Da wird überhaupt nichts mehr hinterfragt. Denn wer einmal "den Glauben" hat, der hat auch "die Wahrheit" - das ist der Kern aller Religionen und die Ursache dafür, dass sie bis heute so eine starke Anziehungskraft haben.

Ja, da gebe ich dir Recht. Es wäre mit Sicherheit interessant und es würden sich völlig neue Möglichkeiten auftun. Genau deshalb habe ich mich auch enthalten. Es hat mit Sicherheit seinen Reiz: Gerade ich mach mir immer Gedanken darüber, dass es so viel zu lernen und zu sehen gibt, für das mir die Zeit leider fehlt. Ich verstehe anerkenne Dein Argument.

Nur, wie es andere hier schon gesagt haben: Ewig ist verdammt lange.

...ja, wohl wahr;).

Angegriffen fühle ich mich von Dir nicht, ich diskutiere gern und du bist ja in keinster Weise beleidigend oder unfreundlich. Auch angreifen könntest Du meine Position von mir aus gern, aber den Eindruck, ein "Kulturpessimist" zu sein, habe ich persönlich von mir nicht. Ich bin einfach ein extrem Skeptischer Mensch, der sich genau fragt, was Wissen und Wahrheit sind und auch, was ich erkennen kann und was nicht.

Das ist gut! Ist manchmal in Threads etwas schwer einzuschätzen, wie ein Posting ankommt. Und ich hab' häufig erlebt, dass Leute aus der Hose springen, wenn man eine etwas andere Position vertritt als sie oder ihre Aussagen auch mal hinterfragt.

Und mit dem Kulturpessimismus meinte ich auch nicht Dich. Mir geht's nur langsam ziemlich auf den Keks, dass sich in D bei fast jeder Diskussion erstmal die Oberbedenkenträger äußern und jeden Gedanken, der nicht der (vermeintlichen) gesellschaftlichen Norm entspricht, verteufeln. Wie gesagt - an Dich hatte ich Dabei nicht gedacht!

[...] für mich ist Wahrheit und das Schöne eine Idee, ewig – keine "Wahrscheinlichkeit", keine dem Zeitgeist der Wissenschaften unterliegende, zur Verhandlung stehende, aus Modellen aufgebaute Welt des sinnlichen Erkennens. Ideale haben aber nunmal an sich, dass sie transzendent sind und in der Welt, in der wir leben, nicht anzutreffen sind.

Ein Stück weit beneide ich die "praktisch" veranlagten Leute, in vielerlei Hinsicht haben sie es einfach.

Wer wissen will, muss leiden. ;)

Ja, so ist es wohl. Wie schon gesagt - als anzustrebendes Ideal ist "Wahrheit" auf jeden Fall eine der zentralen Ideen der europäischen Philosophie. In die Lebensrealität lässt sie sich aber (meiner Meinung) nur als Prozess der Annäherung integrieren. Und da sehe ich ehrlich gestanden keine Alternative zur wissenschaftlichen Methode, sofern man sie als "Streben nach Wahrheit" definiert.

Vielleicht können wir uns an dem Punkt ja auch treffen;)?!
 
Hi, das macht Spaß:D!

Immer wieder gerne. :)


Pardon, aber im Mittelalter war sehr wohl bekannt, dass die Welt keine Scheibe ist (übrigens auch in der Antike schon).

Ja, da hast Du wohl recht. Ersetzen wirs durchs geozentrische Weltbild.

Und die beiden anderen Aussagen - hmmm - sind das nicht eher Erfindungen bzw. "freie" Interpretationen durch die Werbeindustrie *grübel*?!

Also, ich lasse mich auch hier gerne wieder korrigieren, aber mir hat man noch in der Schule beigebracht, dass die Sache mit dem Spinat ein Kommafehler gewesen sei. Was die Sache mit dem Koffein angeht, so habe ich letztens online einen Bericht gelesen, in dem angeführt wurde, dass frühere Studien zu diesem Thema wohl neuerdings widerlegt seien, gehe also hier nicht unbedingt von gezielter Falschinformation aus (was allerdings nicht ausschließt, dass die Gegebenheit seitens der Wirtschaft ausgenutzt wurde).

Man verzeihe mir fehlende Quellenangaben und dass ich dem "Mythos der flachen Erde" aufgesessen bin, aber die Aussage sollte klar sein: Sicher sind empirische Erkenntnisse nicht, sondern sie unterliegen ständigem Wandel.

D'Accord:)! Und der Wandel rührt daher, dass "Erkenntnisse" gewonnen werden, die solange Gültigkeit haben, bis sie falsifiziert werden können. Der Wandel ist also inhärent.

Genau, vollkommen richtig: Falsifizierbar, aber nicht verifizierbar. Lange nicht jeder hat das verstanden.


Stimmt doch - "für den Rest seines Lebens":D

Den Einwand hab ich kommen sehen. :)

Also, ich gehe mal (wirklich) davon aus, das du verstanden hast, dass es darum geht, dass er die fütternde Hand eben nur als solche gesehen hat und dass er die "Gesetzmäßigkeit", die hinter ihr steht nur soweit empirisch erfassen konnte, wie es sein Weltbild zuließ. Dass diese Hand dereinst nicht sein Lebenserhalter, sondern sein Tod sein würde (und sich somit ins Gegenteil verkehrt), konnte er mit empirischen Mitteln nicht erkennen. Man hätte alternativ auch den Bauern sterben lassen können, dann hätte es vielleicht besser gepasst. ;)

Bei "Aberglaube" würde ich widersprechen. Denn Aberglaube basiert nicht auf dem Versuch, im Rahmen gegebener Möglichkeiten, die Realität nachvollziehbar und im Idealfall auch reproduzierbar zu erfassen. Aberglauben basiert auf irrationalen, meist mystisch-esoterischen Annahmen, die - und hier liegt der Hase im Pfeffer - erst gar nicht hinterfragt werden.

Guter Einwand, ich stimme zu. Allerdings mit einer kleinen Einschränkung: Wie Du sicher weißt, macht die Logik keine Aussagen über den Wahrheitsgehalt ihrer Prämissen und das lässt eine gewisse Vermischung von wissenschaftlich/mathematischer Methodik und Glauben/Meinen zu.

Aber wie gesagt: guter Einwand, ich hätte es direkt durch die eingeklammerte Ergänzung ersetzen sollen.

Genau hier setzt ja auch die empirische Wissenschaft an: Sie liefert in den Naturwissenschaften die Prämissen für logische Deduktionen. Allerdings bleibt es, nach wie vor, dabei, dass diese Prämissen, da sie empirisch ermittelt werden, niemals sichere Erkenntnis sein können. Die abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten mögen zwar korrekte logische Schlüsse sein, erben allerdings die Unsicherheit der empirischen Ermittlung von "Fakten".

Ansonsten - ja, Wahrheit ist Wahrheit ist Wahrheit, das stimmt. Aber was nützt mir dieses absolute Konzept, wenn es so erreichbar ist wie die Lichtgeschwindigkeit? Doch bestenfalls als ein Ideal, von dem ich aber weiß, dass ich es eh nie erreiche. Man kann (und sollte!) es anstreben. Aber wenn ein wissenschaftlicher Erklärungsansatz Ergebnisse liefert, mit denen man arbeiten kann, die "funktionieren" und die völlig ohne esoterische "Notlösung" auskommen, dann ist das doch schon was. Auch, wenn der Erklärungsansatz schon morgen durch neue Erkenntnisse zum Teil über den Haufen geworfen werden kann. Das gehört halt zum ständigen Dazu-Lernen.

Also, unerreichbar ist Wahrheit nicht, denn wenn du dir die mathematische Definition eines Kreises ansiehst, so sind die davon abgeleiteten Gesetze solange wahr, wie sie dem angewandten logischen System genügen. (Mathematiker mögen es mir Nachsehen, wenn ich mich hier nicht fachgerecht ausdrücke).

Der Knackpunkt ist eher folgender: Der mathematische Kreis ist ein Ideal im platonischen Sinne und alle Instanzen dieses Ideals in unserer Welt haben nur an diesem Ideal teil, werden es nie erreichen.

Davon abgesehen: Auch ich neige zu dem Glauben (ja, Glauben), dass Empirie sich Wahrheiten annähern kann (was die sinnlich wahrnehmbare Welt angeht), was aber in konkreten Fällen wiederum keine Sicherheit bringt. Ich kann mich zum Beispiel nicht darauf verlassen, dass Aussage a zum Zeitpunt t+100 Jahre noch Gültigkeit besitzen wird.

Man könnte nun ableiten, dass indem die Gültigkeit einer Aussage a über der Zeit unstetig ist, auch Aussage b und letztlich die gesamte Menge der Aussagen, und mithin das komplette errichtete System lediglich eine jeweils dem aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand unterlegene zeitlich gebundene Form von "wahrscheinlicher Wahrheit" ist.

Aber um mal mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben: Ja, Empirie nützt uns im Alltag und ich neige dazu, ihr zuzugestehen, dass sie sich (im Positiven) entwickelt. (Siehe Medizin, Physik, etc., die ja immer mehr zu leisten in der Lage sind)

Zumal uns keine bessere Alternative bleibt (mir fällt zumindest keine ein:rolleyes:).

Wie gesagt: Ich verurteile die Empirie nicht, auch wenn es sich so anhört, ich lege nur Wert darauf, dass die mit ihr verbundenen Probleme erkannt werden. Du erkennst sie (führst direkt im ersten Beispiel Falsifizierbarkeit an), aber nicht jeder tut das.

Glaub mir, jedesmal wenn mir jemand mit "wissenschaftlich er-/bewiesen" ankommt und mit einer kindlichen Selbstverständlichkeit annimmt, er hätte etwas vom wahren Wesen der Welt erkannt, muss ich mir eine Diskussion verkneifen.

Also, ich persönlich Glaube schon, dass empirische Verfahren dazu geeignet sind, etwas über die sinnlich wahrnehmbare Welt zu erfahren und, das Wissen um ihre Schwächen und Probleme vorausgesetzt, diese auch in der Lage ist zu beschreiben. Was aber letztlich dahinter steckt, also die Essenz der Dinge, vermag sie, meiner Meinung nach, nicht zu erfassen. Ein System kann nunmal nicht vollständig aus sich heraus erfasst und beschrieben werden.

Hmmm, ich "glaub'" der Vatikan ist da anderer Meinung;).

Puh, ich hab keine ahnung von katholischer Dogmatik, aber so wie ich das sehe, verlangt man von den Anhängern durchaus Glauben ohne Beweise. ;)

Empirie verlangt ja auch nicht, dass man an sie glaubt - anders als die Religion. Im Gegenteil: An Empirie zu glauben wäre fatal. Denn sie lebt ja letztlich davon, die Dinge zu hinterfragen und auf immer neue Arten zu untersuchen. "Glaube" ist das Gegenkonzept: Da wird überhaupt nichts mehr hinterfragt. Denn wer einmal "den Glauben" hat, der hat auch "die Wahrheit" - das ist der Kern aller Religionen und die Ursache dafür, dass sie bis heute so eine starke Anziehungskraft haben.

Die empirische Methode an sich beinhaltet ständige Überprüfung und Wiederholbarkeit von Versuchen unter unterschiedlichen Bedingungen, zu unterschiedlichen Zeiten, etc. Also basiert sie nicht auf Glauben, ihre Wirkung kann aber derjenigen eines religiösen Glaubenssystems nahe kommen.

Einmal kann es sein, dass ein Wissenschaftler sich auf Fakten stützt, die in der jeweiligen Fachrichtung als anerkannt gelten und nicht vom einzelnen hinterfragt werden, sondern als gegeben vorausgesetzt werden. Auch in der empirischen Wissenschaft arbeiten letztlich Menschen, das heisst, dass eine etablierte Lehrmeinung nicht unbedingt gerne aufgegeben wird, gerade, wenn es eventuell das eigene Lebenswerk ist. Natürlich ist es nicht "Schuld" der Empirie (ja, es widerspricht sogar direkt ihren Anforderungen der ständigen Überprüfung), dass sie von Menschen gemacht wird, aber was ich meine sollte klar sein.

Dann gibt es, davon unabhängig, noch den Menschen, den ich zu den "Vielen" zählen würde. Den Menschen, der sein Kind mit Spinat vollstopft, weil es ja "wissenschaftlich bewiesen" ist, dass Spinat nunmal groß und stark macht. Vor Allem diese Haltung, die von unserem Schulsystem und unserer Kultur in gewisser Weise gefördert werden, hat für mich Glaubenscharakter.

Letztlich bleiben dann noch die grundlegenden Probleme, wie eben das Traumargument, aber darauf müssen wir hier nicht eingehen, denn das führt in der Konsequenz in den Monismus. Was allerdings, zumindest bei mir, nachwirkt ist das Bewusstsein für die Problematik des Erkennens der Realität an sich. Auf der anderen Seite eben die Problematik, aus n Ereignissen nie mit Sicherheit auf das n+1. Ereignis schließen zu können (siehe Huth). Da dir diese Problematik bewusst ist, und Du dir der Unmöglichkeit der Verifikation bewusst bist, erübrigt es sich, das hier breitzutreten. (Und nochmal: Dessen ist sich längst nicht jeder bewusst)

Das ist gut! Ist manchmal in Threads etwas schwer einzuschätzen, wie ein Posting ankommt. Und ich hab' häufig erlebt, dass Leute aus der Hose springen, wenn man eine etwas andere Position vertritt als sie oder ihre Aussagen auch mal hinterfragt.

Ja, verstehe ich, hab ich auch schon erlebt. Mir machts Spass und ich lerne etwas daraus ...

Ja, so ist es wohl. Wie schon gesagt - als anzustrebendes Ideal ist "Wahrheit" auf jeden Fall eine der zentralen Ideen der europäischen Philosophie. In die Lebensrealität lässt sie sich aber (meiner Meinung) nur als Prozess der Annäherung integrieren. Und da sehe ich ehrlich gestanden keine Alternative zur wissenschaftlichen Methode, sofern man sie als "Streben nach Wahrheit" definiert.

Wie gesagt: Zum Beschreiben der sinnlich wahrnehmbaren Welt ist die Empirie eine gute Methode, aber wenn es um Fragen wie "ewiges Leben" geht, sprengt man in mancherlei Hinsicht den Rahmen, in dem die empirischen Wissenschaften sich bewegen.

Davon abgesehen gibt es, wie oben erwähnt, durchaus Erkenntnisse, die wahr sind, zum Beispiel in der Mathematik, da man sich ja das entsprechende System schafft, innerhalb dessen man operiert. Solange ich nach den Regeln eines Systems Erkenntnisse über es gewinne, sind diese auch, auf eben dieses System bezogen, wahr.

(Bitte, liebe Mathematiker, schlagt mich nicht :)

Der Knackpunkt ist: Die Welt in der wir leben ist eben kein System, das wir uns selbst geschaffen haben und auch von Außen betrachten können.

Vielleicht können wir uns an dem Punkt ja auch treffen;)?!

Ja, können und tun wir.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben